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WESO Aurorahütte bei Gladenbach

Im südlichen Hinterland liegt die WESO-Aurorahütte, eine im Jahr 2023 über 470 Mitarbeiter starke Eisengießerei. Ihre Anfänge als Nickelschmelze führen bis in das Jahr 1324 zurück, als die Schmelze unter dem Namen „molendinum in Erthusen“ erstmals urkundlich erwähnt wird. 1887 wurde die Aurorahütte in eine Gießerei umgebaut und nach den neuen Besitzern Wehrenbold & Sohn, abgekürzt WESO, benannt. Trotz widriger Umstände – die Nachkriegszeiten überlebte die Hütte nur knapp – schreibt die WESO Aurorahütte ihre Erfolgsgeschichte bis heute fort.

 

Die Aurorahütte bei Gladenbach-Erdhausen hat ihren Ursprung in einer Nickelschmelze. Bereits 1324 wird die Schmelze in einer Urkunde als „molendinum in Erthusen“ erwähnt und 1569 taucht der „Urban Möller“ schriftlich auf.

Die „Gewerkschaft Aurora, Nickel-Erz-Hütte“ unter Leitung des Gießener Mineralogen August Wilhelm von Klipstein und dem Hüttenbesitzer Justus Kilian errichtete die Aurora-Hütte im Jahre 1849. Zur Verhüttung der bei Bellnhausen geförderten Nickelerze erwarb das Konsortium am 1. Juli die Urbansmühle in Gladenbach, deren Besitzer hochverschuldet in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, und baute sie zu einer Nickelschmelze um. An dem Konsortium waren u.a. die seinerzeit in der Branche bedeutenden Persönlichkeiten Carl Ludwig Heussler aus Dillenburg, Bergmeister Wilhelm Marenbach aus Siegen, Oberbergrat Schwarzenburg aus Siegen und Ludwig Haas von der Neuhoffnungshütte Sinn beteiligt. Die Hütte besaß zu dieser Zeit „sechs mit Holzkohle beheizte Krummöfen, einen Garherd, ein Zylindergebläse und Pochhämmer, die durch ein großes Wasserrad der ehemaligen, an der Salzböde gelegenen Mühle, angetrieben wurden“. Anfangs waren 20, dann etwa 50 Arbeiter auf der auf der Grube in Bellnhausen beschäftigt. Etwa 50 Arbeiter waren mit der Erzabfuhr aus Bellnhausen nach Gladenbach und als Hüttenleute auf der neuen Aurorahütte tätig.

Auf der Aurorahütte wurde das in drei Gruben bei Bellnhausen abgebaute Nickelerz in der „Poche“, die ein Mühlenrad antrieb, zerkleinert, und dann in einem „Flammenofen“ geschmolzen. Aus Nickel wurden Gegenstände des täglichen Gebrauchs (Besteck u.ä.) hergestellt. Die Erschöpfung der Erzvorräte in den betriebenen Gruben, die auch durch Erzimporte aus Schlesien und Schweden nicht kostendeckend kompensiert werden konnten, und der Tod des Hüttenleiters Edmund Kürschner 1869 führten noch im gleichen Jahr zur Schließung der unrentablen Hütte.

  

1873 erwarb der Industrielle Ludwig Bennekemper aus Dortmund die Aurorahütte in der Hoffnung, durch den Betrieb von acht weiteren Gruben die Erzzufuhr zu sichern. Sinkende Erträge, aber vor allem die hohen Transportkosten aufgrund fehlgeschlagener Bahnprojekte, zwangen auch ihn 1886/87 zur Aufgabe.

Entscheidend für die bis heute anhaltende Erfolgsgeschichte der Aurorahütte war die Übernahme des Werkes durch Johann Dietrich Wehrenbold zusammen mit seinem Sohn Johannes im Jahr 1887. Johann Dietrich Wehrenbold, Mitinhaber der Firma Schulz & Wehrenbold, Justushütte in Weidenhausen, erkannte, dass die Zukunft des Werkes durch die Verarbeitung von Nickelerzen nicht dauerhaft gesichert werden konnte. Er baute die Hütte zu einer Eisengießerei um, in der Herde, Öfen und anderer Handels- und Maschinenguss hergestellt werden sollten. Das Unternehmen startet mit 21 Arbeitern und moderner Technik. Am 12. März 1887 erfolgte der erste Guss und der erste Kupolofen wurde in Betrieb genommen. Im selben Jahr erließ die britische Regierung ein Gesetz, wonach alle aus Deutschland importierten Waren die Angabe „Made in Germany“ tragen müssen. Dass dieser Diskriminierungsversuch fehlschlug, ist u.a. auch den vielen innovativen Unternehmern im Lahn-Dill-Revier zu verdanken.

Für einen deutlichen Aufschwung der Aurora-Hütte (nach ihren Gründern: WESO-Aurorahütte) sorgte der Gleisanschluss des Werkes an die Bahnstrecke Niederwalgern-Gladenbach-Herborn im Jahr 1894, wodurch die Transportkosten für Eisenerz und Steinkohle erheblich reduziert werden konnten. 1895 wurde ein Emaillierwerk errichtet.

Nach dem Tod Johann Diedrich Wehrenbolds 1893 traten seine Schwiegersöhne Gustav Stirn und Heinrich Colnot die Rechtsnachfolge in der seit 1891 als offene Handelsgesellschaft betriebenen Firma an. Öfen und Herde bildeten den Schwerpunkt der Produktion bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Mit Beginn des 1. Weltkrieges gingen die Auslandsmärkte verloren. 1916 musste auf Kriegswirtschaft umgestellt werden. Bereits gefertigte Öfen wurden für die Verwendung in Bunkern, Unterständen und Schützengräben umgerüstet. Nach dem 1. Weltkrieg führte Materialmangel trotz guter Auftragslage immer wieder zur Stilllegung des Werks. Die Aurora-Hütte überlebte die schwierigen Nachkriegsjahre nur knapp.

Ab 1924 kam die Wirtschaft zunehmend in Schwung. Wehrenbold & Sohn führte die doppelte Buchführung ein und in den beiden folgenden Jahren wurde der Betrieb maschinell erneuert.

Hatte das Unternehmen 1887 mit 21 Arbeitern begonnen, so beschäftigte es 1927 schon 270 Arbeiter mit 19 Angestellten und Meistern. Im gleichen Jahr übernahm Heinrich Colnot die Geschäftsführung, die er bis zu seinem Tode 1945 innehatte. Im Jahr 1930/31 entwickelte und baute die Aurorahütte den ersten deutschen Ölofen, dessen Vertrieb sie mit Hilfe der 1931 gegründeten Oelof GmbH sicherstellen wollte. Technische Probleme verhinderten aber die Serienreife. Die Produktion wurde eingestellt und die Oelof GmbH wurde 1932 wieder gelöscht.

Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 führte im Zuge der Kriegsvorbereitung zu einer immer stärkeren Rohstoffbewirtschaftung, so dass die Produktion der Aurorahütte von 1.700 Tonnen im Jahr 1936 auf 1.248 Tonnen 1943 sank und 1946, ein Jahr nach Kriegsende, nur noch 44 Tonnen betrug. Hatte man 1938 noch den alten Kupolofen durch eine neue Kupolofenanlage ersetzt, so führte der kriegsbedingte Produktionsausfall und der Fronteinsatz von Fachkräften zum Leerstand von Räumlichkeiten im Werk. Wegen der von Westen näher rückenden Front wurden 1943 die Matra-Werke aus Frankfurt a.M. und 1944 die Eisengießerei Saargemünd in die Räume der Firma eingewiesen. Das Firmengelände wurde bombardiert, aber der Schaden blieb gering.

Schon am 1. Juli 1945 wurde die Produktion, wenn auch unter immensen Schwierigkeiten der unmittelbaren Nachkriegszeit, wieder aufgenommen. Die bisherige oHG wurde in eine GmbH umgewandelt, deren Zweck die Herstellung von Heiz- und Kochgeräten sowie sonstigen Teilen aus Gusseisen, Stahl und Metall in Gieß-, Stanz- und Emaillierverfahren; ferner die Herstellung von maschinellen Anlagen aller Art sowie die Herstellung von Einrichtungsgegenständen für Haus und Küche war. Unter dem neuen Geschäftsführer, Dipl.-Ing. Waldemar Kegel, wurde das Unternehmen modernisiert. Die Gießerei und das Emaillierwerk wurden umgebaut. Investiert wurde in die Hallen, den Modellpark und die Transporteinrichtungen. 1954 produzierte man 50.000 Öfen und die Hütte beschäftigte 370 Mitarbeiter.

In den 60er Jahren vollzog sich zunächst schleichend, dann immer rasanter ein Wandel auf dem Heizungsmarkt. Öl-Zentralheizungen wurden in die Häuser eingebaut; einzelne Öfen waren kaum noch gefragt. Von ursprünglich 68 Ofenherstellern blieben bis 1987 noch 11 übrig. Der Markt war um 92,8 Prozent geschrumpft. In dieser Situation entwickelte die WESO-GmbH erfolgreich ein neues Unternehmenskonzept. Seit 1963 baute man ein Kundengussprogramm auf, um die vorhandenen Betriebsstätten besser auszulasten. Aber auch die WESO-Kachelöfen erlebten im Gefolge der Ölkrise eine Renaissance. Die Mischung aus stilvollen Kacheln und moderner, umweltfreundlicher Heiztechnik wurde immer mehr nachgefragt und die WESO GmbH entwickelte sich zu einem der Marktführer in Deutschland.

Zu einem der ersten und zugleich wichtigsten Kunden des neuen Kundengussprogramms gehörten die Viessmann-Werke. Durch ihre Mehrheitsübernahme am 1. Juli 1978 trugen die Viessmann Werke GmbH & Co. entscheidend zur Marktbehauptung der Hütte bei. Führend in der Entwicklung des Heizkesselbaus benötigte Viessmann die WESO GmbH, um durch hochmodernisierte Form- und Gießverfahren Gussprodukte in großer Stückzahl produzieren zu können. Die Modernisierung der WESO zahlte sich aus und im Juni 1983 konnte die WESO-Aurorahütte GmbH die Produktion des ein millionsten Rings für den Viessmann Vitola-Biferral-Tieftemperaturkessel feiern. Innerhalb von 10 Jahren stieg die Kundengussproduktion von 34 Tonnen auf 72 Tonnen.

1968 löst Dipl.-Ing. Reiner Kegel seinen Vater als Geschäftsführer ab.

1984 wurde das Leistungsspektrum der Hütte durch mechanische Bearbeitung und Montage der Gussteile erweitert. 1996 wurde zur Erzielung von Synergieeffekten der Gießereibetrieb der Justushütte in Weidenhausen übernommen. Eine Diversifikation besonderer Art war 2002 der Einstieg in das Marktsegment Bahntechnik. Hergestellt wurden Bremsscheiben, Kompressorengeräuse und Flansche. 2003 erhielt mit WESO erstmalig eine Gießerei den begehrten Partner-Status des Landmaschinenherstellers John Deere. Für John Deere wurden Bremsscheiben hergestellt. Ab 2008 investierte WESO in die modernste Maschinen- und Anlagetechnik (prozessgesteuerte Automationstechnik, mit der man schneller und effektiver auf geänderte Anforderungen im Kundengussbereich reagieren konnte).

2013 waren 420 Mitarbeiter beschäftigt. Die Produktion betrug 27.000 t Guss, davon 23 % für Viessmann und 77 % für andere Kunden. Der Umsatz betrug 61,1 Mio. EUR. Das Unternehmen erhielt eine Vielzahl von Zertifizierungen und Auszeichnungen.

 

2018 verkaufte Viessmann die ihr zu 100 % gehörende Eisengießerei WESO-Aurorahütte an das Münchener Familienunternehmen Serafin. Viessman blieb zwar Kunde, benötigte aber nicht mehr so viele Gussteile. Die etwa 400 Mitarbeiter behielten ihren Arbeitsplatz.

 

Aktuelle Situation

Da die deutsche Maschinen- und Fahrzeugindustrie weiterhin große Mengen an Gussprodukten benötigt, plant die Gießerei eine Ausdehnung an das östlich angrenzende Gelände des stillgelegten Bahnhofs. Entscheidungen sind bis Ende 2019 nicht veröffentlicht worden.

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