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Die Burger Hütte - Burger Eisenwerke

Die Burger Eisenwerke gehörten lange Zeit zum bedeutendsten Industrieunternehmen Mittelhessens. Das vor fast

300 Jahren gegründete Unternehmen wurde vor allem durch die Gruben- und Hüttenbesitzer J.J. Jung und Wilhelm Ernst Haas aufgebaut. Berühmt wurde es durch seine "JUNO"- Öfen mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“. Mit dem Aufkommen der Luftfahrt gründete der angestellte Ingenieur Werner Sell eine Abteilung für Flugzeugküchen und später ein eigenes Unternehmen. Die Eisenwerke hatten bis zu 3.000 Mitarbeiter. Nach dem Krieg übernahm Hans Flick alle Aktien der inzwischen in eine AG umgewandelten Firma. Strukturkrisen führten trotz mehrerer Rettungsversuche 1963 zur Auflösung des Unternehmens. Nur Hans Sell's Flugzeugküchenbau wurde weitergeführt.

In enger Verbindung mit der Entwicklung der Eisenindustrie an Lahn und Dill steht die Geschichte der in Burg am Zusammenfluss von Dill und Aar gegründeten „Burger Hütte“. 1727 errichteten die Gebrüder Reichmann die erste Burger Hütte als Schmelzhütte mit einem Holzkohleofen. Die Hütte produzierte einfache Gusswaren für Haus und Hof und Kaminplatten und lief bis zu Beginn der 1740er Jahre sehr gut, musste dann aber aufgegeben werden.

1817 errichtete Carl Kretzmüller die „zweite“ Bürgerhütte als Hammerwerk, ging aber bald wegen fehlenden Eigenkapitals in Konkurs.

1826 übernahm die Firma Göbel & Haas o.H.G. die Hütte. Sie produzierte vor allem Öfen, Herde und Gusswaren. Die zerstrittenen Erben verkauften 1857 das Unternehmen. Ersteigert wurde die Hütte durch Wilhelm Ernst Haas von der Neuhoffnungshütte, Freiherr Carl von Wittgenstein aus Laasphe, und J.J. Jung vom Hessen-Nassauischen Hüttenverein für einen Kaufpreis von 224.189 Gulden. Unter der Leitung des erfahrenen Grubenbesitzers Heinrich Jung produzierten die „Burger Eisenwerke oHG“ zunächst Öfen, Herde, Töpfe, Röhren, Wasserkessel, Dachfenster und sonstige Gusswaren für Haus und Hof. Jung setzte modernste Technik ein, wie z.B. die Dampfmaschine zum Antrieb des Hochofengebläses. Damit konnte er unabhängig vom Wasserstand produzieren. Das Unternehmen machte bald stolze Gewinne und errichtete schon fünf Jahre nach Betriebsbeginn den ersten Kupolofen.

Das wirtschaftlich und technisch bedeutendste Ereignis war der Weichenanschluss an das Eisenbahnnetz von Köln nach Gießen im Jahre 1865. Es verbesserte die Bedingungen für den An- und Abtransport von Rohstoffen, Gütern und vor allem konnte Kohle für einen koksbetriebenen Kupolofen zur Erzeugung von Gusswaren in zweiter Schmelzung kostengünstig bezogen werden. 1872 wurde das Unternehmen, das inzwischen 170 Mitarbeiter beschäftigte, in eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 360.000 Talern umgewandelt.

Die Burger Eisenwerke in der Expansionsphase der industriellen Revolution

 

1888 erwarb Gustav Jung sen. die Aktienmehrheit und besetzte den Aufsichtsrat und die Unternehmensleitung mit Mitgliedern seiner Familie. Er wandelte das Unternehmen in eine G.m.b.H. mit einem Stammkapital von 1.080.000 Mark um. Das Unternehmen prosperierte nach der erfolgreichen Entwicklung sog. amerikanischer und irischer Dauerbrandöfen derart, dass 1888 das Herborner Eisenwerk Remy und Reifenrath übernommen wurde, um die Produktionskapazitäten auszuweiten.

Mit dem Bau neuer Kupolöfen wurde 1898 der letzte Holzkohleofen ausgeblasen. Damit war das Werk zu einem reinen eisenverarbeitenden Betrieb geworden. Das Roheisen kaufte man vom Hochofenwerk in Oberscheld. Die ca. 50 Eisengruben wurden nicht mehr benötigt und an Buderus verpachtet.

Die Einführung der Elektrizität hatte umwälzende Neuerungen zur Folge. Es wurde ein Emaillierwerk, eine Vernicklung, eine Kupferschmiede und eine Verzinnerei errichtet. Damit konnten viele Produkte veredelt werden. Der Absatz stieg enorm an. 1902 wurde im nahen Ehringshausen ein Sägewerk gekauft, auf dessen Gelände eine Gießerei errichtet wurde, um den Mehrbedarf an Gusseisen abdecken zu können.

Die erfolgreichsten Ofenmodelle der Burger Eisenwerke wurden die „Amerikanische Dauerbrandöfen“ Typ „JUNO“ für die Nutzung von Anthrazitkohle, die „Irischen Dauerbrandöfen“ Typ „CORA“ für die Beheizung mit Magerkohle und Öfen für Holz und Kohlefeuerung. Die Öfen wurden in Deutschland und bis nach Übersee vertrieben. Den Produktnamen „JUNO“ ließ man 1899 für die Produkte der Burger Eisenwerke patentieren. Als Logo wählte man die sog. „schwarze Sonne“.

Neben den drei Standorten in Burg, Herborn und Ehringshausen wurde durch Fusion 1905 die Schelderhütte von Carl Grün in Oberscheld als vierter Produktionsstandort hinzugewonnen. Grüns gesamter Grubenbesitz wurde an den „Hessen-Nassauischen-Hüttenverein“ verkauft. In Oberscheld wurden hauptsächlich Sanitärprodukte (Badewannen usw.) hergestellt.

Nachkriegswirtschaft, Inflation und Produktionsstrategien ab 1933

 

Zur Vermeidung der Verstaatlichung des Grubenbesitzes nach den Gesetzen der Weimarer Republik fusionierten 1920 die Burger Eisenwerke G.m.b.H. mit der Firma J.C. Grün Eisenstein-Bergbau o.H.G. zu Dillenburg, die nun zum fünften Standbein der Burger Hütte wurde. Die Krisen in den 20er Jahren beeinflussten die Produktion z.T. erheblich, aber mit der Einführung der Rentenmark florierte das Unternehmen wieder. Das Werk in Burg wurde komplett erneuert, modernisiert und erweitert. An allen Standorten wurde die Fließbandproduktion weiterentwickelt und die Herstellung von Produkten auf bestimmte Werke optimiert, was erhebliche Kosteneinsparungen brachte.

Die Entwicklung von JUNO Gasherden und Gasöfen im Jahre 1927 war so erfolgreich, dass sie bald in die ganze Welt verkauft wurden. Der Zeitpunkt war optimal gewählt, weil die mit der Stahlindustrie verbundenen Koksbetriebe reichlich Gas erzeugten, das bald in fast allen Haushalten zur Verfügung stand.   

Ab Ende der 20er Jahre kam es mit dem Beginn der Wirtschaftskrise häufig zu Kurzarbeit, Streiks und Aussperrungen im gesamten Lahn-Dill-Revier. Der Absatz ging trotz intensiven Marketingmaßnahmen zurück und kam 1929 nach dem „schwarzen Freitag“ bei einigen Produkten fast völlig zum Erliegen. Die Burger Eisenwerke ergriffen die Offensive. Sie engagierten die berühmten Architekten, Fritz August Breuhaus de Groot, Ferdinand Kramer und Prof. Wilhelm Tiedje, die mit ihrer Idee der „kultivierten Sachlichkeit“ Öfen, Herde und andere Produkte in einer klaren Form mit sachlicher Funktionalität und geschmackvoller Farbgebung gestalteten und sie für die Massenproduktion optimierten. Der sog. „Kramer-Ofen“ irischer Bauart wurde ab 1925 produziert: ein Allesbrenner, besonders energiesparend und preisgünstig. Dieser und ein preiswerter Siedlungsherd sowie neu entwickelte Elektroherde, mit dem Symbol der „schwarzen Sonne“ halfen ab 1932 aus der Krise. 

1934 übernahm mit Hans Grün die Dillenburger Unternehmerfamilie Grün die weiteren Geschicke des Burger Unternehmens. Grün hatte zunächst Probleme der ungewohnten Demokratisierung der Arbeitswelt, der Reparationszahlungen und die nachkriegsbedingten Beschränkungen von Rohstoffen zu lösen. Hierbei kam ihm zu Gute, dass Eberhard Jung rechtzeitig von Kriegs- auf Friedensproduktion umgestellt hatte.

 

Die Burger Eisenwerke ab 1933

Ab 1933/34 entstand ein Wirtschaftsaufschwung, der eine umfangreiche Werkserweiterung mit etlichen Neubauten erforderte. Eberhard Jung schied nach 47 Jahren aus der Geschäftsführung aus. Hans und Carl Grün und die Belegschaft traten früh in die NSDAP ein. Die vom „Amt Schönheit der Arbeit“ eingeleitete Aktion“ „Saubere Menschen im sauberen Betrieb“ führte zur Einführung von Arbeitsschutzmaßnahmen als auch zur Entwicklung einer Serie von Waschbrunnen im Schelder Werk, die reißenden Absatz fanden. Anlassbedingt wurde die Stromversorgung von 190 V auf 220 V Wechselstrom bzw. 380 V Drehstrom umgestellt. Ein 20m hoher Trafoturm überragte das Betriebsgelände. Im Werk Herborn wurden nun das gesamte Großküchenprogramm und Geschirrspülmaschinen produziert. Die Vermarktung dieser Großkochanlagen wurde Werner Sell übertragen. Sell experimentierte während seiner Arbeitsjahre bei Junkers mit Flugzeugküchen, die nach dem Krieg ein wichtiger Produktionszweig der Burger Eisenwerke wurde.

1937 wurde die Tonwarefabrik J. Griessinger in Dieburg übernommen. Hier wurde ein leichter und transportabler Dauerbrandofen mit einer Innenverkleidung aus Feuerfestkeramik „DIETO“ hergestellt.

Die Rohstoffbeschränkungen führten seit Kriegsbeginn zu zahlreichen Produktveränderungen, Qualitätsverlusten, Reduzierung oder gar Produktionsaufgabe einiger Modelle. Während des Krieges wuchsen die Vorgaben und Verbote derart, dass die Produktion immer weiter eingeschränkt und Personal entlassen werden musste. Mit Kriegsbeginn wurden zunehmend Rüstungsgüter hergestellt, sogar Einzelteile für die V-Waffen.  Die Zahl der Zwangsarbeiter, die zur Produktion eingesetzt wurden, häufte sich mit der Fortdauer des Krieges. Am Ende waren 1.526 Zwangsarbeiter (56 % der Belegschaft) in Burg beschäftigt. In den letzten Kriegswochen wurden die Werke, mit Ausnahme des in Niederscheld, durch Luftangriffe erheblich zerstört.

 

Die Nachkriegsjahre

Als Ende März 1945 die Amerikaner das Werk besetzten machte sich die Demütigung der Zwangsarbeiter Luft und sie verwüsten Maschinen und Büros. Die Amerikaner selbst verhielten sich recht liberal, so dass das Burger Werk schon 1945 mit 490 Mitarbeitern begrenzt produzieren konnten. Die Währungsreform und die Gründung der Bundesrepublik führten zu einem starken Aufschwung. Zunächst wurden mit den Restmaterialien der Kriegswirtschaft Haushaltsgeräte produziert. Erst 1947 waren einige Kupolöfen und das Emaillierwerk betriebsbereit, so dass zuerst im Werk Niederscheld wieder Badewannen und andere Sanitärartikel hergestellt werden konnten. Darauf folgte der Produktionsbeginn in Herborn, während die Werke in Burg, Ehringshausen und Dieburg erst mit einiger Verzögerung die Arbeit wieder aufnahmen. 1947 konnte bereits eine Dividende von 5% ausgezahlt werden. Mitten in der Aufbauphase verstarb unerwartet Carl Grün und Dr. Eberhard Jung übernahm nun die Geschäftsführung. Mit dem Anstieg der Bautätigkeit stieg auch die Nachfrage nach Öfen. In Burg wurden wieder Öfen für alle Brennmaterialien gebaut und neue JUNO-Modelle für Gas und Ölfeuerung entwickelt. Die erfolgreichste Neuerung war eine Herdkombination, bestehend aus einem Herd mit untergebautem Backofen. Für einen neuartigen Kaminofen mussten sogar Sonderschichten gefahren werden. Eine kritische Zeit für alle Ofenhersteller war der Übergang zur Zentralheizung. Eine elegante Lösung bildete der JUNO Hochleistungs-Herdkessel, der in der Küche aufgestellt wurde. Von dort aus konnten die Heizkörper in den anderen Räumen mit Warmwasser betrieben werden. Später wurde ein Gas-Durchlauferhitzer entwickelt, der so erfolgreich wurde, dass dieses System europaweit heute noch im Einsatz ist. Im Flugzeugküchenbereich widmete sich Werner Sell ab 1953 wieder Entwicklung von Flugzeugküchen. 1953 wurde er Geschäftsführer, dann Vorstandsmitglied der Burger Eisenwerke.

An den fünf Standorten wurden die die ehemaligen Produktlinien beibehalten: in Burg JUNO- und CORA-Öfen sowie Flugzeugküchen, in Herborn Großküchen, in Ehringshausen eigene Gießerei und Kundenguss, Gasheizungstechnik und Heißwasserbereiter, auf der Schelderhütte Sanitärartikeln und im Werk in Dieburg der keramischen Dauerbrandofenserie „DIETO“ und neuere Modelle. In allen Werken mit Gießerei wurden die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten verbessert, so dass die Gießerei als eine der modernsten in Europa galt. 1960 waren 3000 Mitarbeiter, davon 2000 in Burg beschäftigt.

 

Auswirkungen von Strukturveränderungen und Käuferverhalten auf die Burger Eisenwerke

 

Nachdem der Bedarf an den notwendigen Existenzgütern in den Nachkriegsjahren erreicht worden war, orientierte sich die Nachfrage nach den Bedürfnissen der amerikanischen Mittelschicht, dem Wunsch nach Kühlschränken, Waschmaschinen und andere Güter der „weißen Ware“. Um solche Produkte anbieten zu können strebte Eberhard Jung die Umwandelung der Burger Eisenwerke G.m.b.H. in eine AG an, um frisches Kapital zu beschaffen. Er betrieb eine Beteiligung mit dem amerikanischen Unternehmen Philco/Bendix, der für Waschmaschinen auf dem europäischen Markt Partner suchte. Gleichzeitig versuchte in Deutschland im Montanbereich Friedrich Flick (1883-1972) sich an möglichst vielen Firmen maßgeblich zu beteiligen. 1955 besaß er bereits 100 Firmen. Hans Grün, der mit Flick befreundet war, verkaufte ihm 1957 seine Buderus Aktien und einige Großbanken folgten ihm hierbei, so dass Flick die Aktienmehrheit von Buderus besaß. Flick erwarb bis 1958 auch 70% des Stammkapitals der Burger Eisenwerke. Die Burger Eisenwerke gelangen damit unter das Dach des Flick-Konzerns. Der Name „Burger Eisenwerke“ blieb noch bis 1976 bestehen und firmierte dann unter „BUDERUS Geschäftsbereich Burger Eisenwerke“.

Ab 1990 verkaufte Buderus sein Herd- und Ofenwerk in Burg sukzessive an den schwedischen Elektrokonzern ELEKTROLUX. Es entstand u.a. die Electrolux-Juno Küchentechnik GmbH für normale „weiße Ware“ und die Juno Großküchen GmbH. Die Belegschaft in Burg wurde laufend vermindert. Trotz aller Bemühungen wurden die Burger Eisenwerke Ende März 2003 endgültig geschlossen. Die Schelderhütte war bereits 1975 stillgelegt worden. Lediglich die Sell-Flugzeugküchen produzieren bis heute nach mehreren Besitzerwechseln weiter.

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