top of page

Carolinenhütte Wetzlar

 

Nur etwa 100 Jahre bestand das Walzwerk des Unternehmers und Hochofenwerkbesitzers J.J. Jung (genannt Carolinenhütte) in Niedergirmes. Es verarbeitete das Roheisen der Sophienhütte von Buderus in Wetzlar und hatte zeitweise über 1000 Mitarbeiter. Der Rückgang der Montanindustrie an Lahn und Dill führte zur Übernahme der Hütte eines Unternehmens für Flurförderzeuge (Gabelstapler u.ä.). Nach anfänglichen Erfolgen schloss das Werk 1973.

Die Firma Gebr. Buderus hatte 1872 in Wetzlar ein Hochofenwerk, die Sophienhütte, errichtet und verkaufte das erschmolzene Roheisen an weiterverarbeitende Werke im Dill- und Ruhrgebiet und verarbeitete ein Teil davon selbst. Einen Großabnehmer in unmittelbarer Nähe gab es zunächst nicht. Dieses änderte sich, als die Unternehmerfamilie Jung, die im Lahn-Dill-Gebiet, vor allem im Altkreis Dillenburg, Biedenkopf und im Wittgensteiner Land, viele Gruben und Eisenhütten besaß, die im „Hessen-Nassauischen Hüttenverein“ unternehmerisch zusammengefasst worden waren, 1875/76 in Niedergirmes bei Wetzlar ein Walzwerk errichteten. Inhaber des Werkes waren sieben Kinder des Gründers und herzog nassauische Hütteninspektor Johann Jakob Jung aus Steinbrücken im Dietzhölztal.

Das „Walzwerk J.J. Jung“, das nördlich an das Bahnhofsgelände von Wetzlar angrenzte, nahm am 20. März 1876 seine Arbeit auf. Es verarbeite Puddeleisen zu Stab-, Profil- und Hufnageleisen. 1883 wurde das Unternehmen in eine AG umgewandelt und nach dem Namen der Mutter Heinrich Jungs „Carolinenhütte“ benannt, obwohl keine eigentliche Verhüttung durch Hochofen stattfand. Das Stammkapital wurde unter die sieben Kinder aufgeteilt. Das Roheisen bezog man von der benachbarten Sophienhütte von Buderus und erschmolz dieses in Kupolöfen zur Weiterverarbeitung.

Seit 1900 betrieb man eine Gießerei, die ständig weiter ausgebaut wurde. Das Werk wurde mehrfach erweitert.  Die Mitarbeiterzahl stieg von 605 im Jahre 1900 auf 694 zu Beginn des Krieges. Während des Ersten Weltkrieges ging sie naturgemäß zurück und erreichte bereits 1919 den Höchststand von 706 Mitarbeitern.

Für die vielen, oft von weiter her zugereistem Mitarbeiter, errichtete die Carolinenhütte neben dem Betriebsgelände Arbeiterwohnhäuser im Niedergirmeser Weg, die sog. „Kolonie“.

Nach dem Ersten Weltkrieg war das Walzwerk zunehmend technisch veraltet, so dass es stillgelegt und die Einrichtung größtenteils verschrottet wurde. 1931 wurde auch die Schraubenerzeugung eingestellt.  Die Einrichtungen wurden verkauft und mit dem Erlös die Gießerei ausgebaut. Man stellte zunächst Dachfenster, Kellerfenster und mit aufkommende Bauphase Kanalgussartikel her.  Die Mitarbeiterzahl war in der Krise auf 229 geschrumpft.

Später setzte man, wie fast auf allen Hütten des Hessen-Nassauischen Hüttenvereins, auf die Herstellung von Zimmeröfen. Dazu musste zusätzlich ein Emaillierwerk errichtet werden Das Unternehmen firmierte unter „Heinrich Jung & Co., Carolinenhütte GmbH“.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Betriebswerkstätten fortlaufend modernisiert und mit Einrichtungen nach modernsten Arbeitsmethoden eingerichtet.

Mit dem Rückgang der Nachfrage nach Roheisen und der Veränderung der Heizgewohnheiten hin zur Zentralheizung ging der Umsatz der nun als „H. Jung & Co. Carolinenhütte“ von 1964 an ständig zurück.

1962 versuchte die Firmenleitung mit der Vereinigung mit der Firma Fromme Förderanlagen aus Böblingen, die 74% der Carolinenhütte übernahm, das Unternehmen wieder rentabel zu machen. Die rechtlichen Verhältnisse veränderten sich in der Folge dahingehend, dass die Carolinenhütte durch 100%ige Übernahme eine Tochtergesellschaft der Fa. Fromme Förderanlagen GmbH wurde, deren Geschäfte mit Flurförderfahrzeugen, vor allem mit Osteuropa, sehr erfolgreich geworden waren.

Fromme legte die Gießerei still und stellte 1968 auch die verlustbringende Ofenproduktion auf der Carolinenhütte ein. Alle Betriebseinrichtungen, die nicht für den Förderanlagenbau verwendet werden konnten, wurden stillgelegt. Daraufhin stieg die Produktionsentwicklung der Firma Fromme Förderanlagen GmbH stetig an. Bis 1970 hatte sich die vormals schrumpfende Belegschaft wieder auf 424 Mitarbeiter erhöht. Nach den erfreulichen Anfangserfolgen musste auch die Fromme Förderanlagen GmbH 1973 das Werk endgültig schließen. Das Betriebsgelände wurde verkauft. Die Gebäude der Carolinenhütte mussten für die Anlagen der neuen Eigner weichen.

bottom of page