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Eibelshäuser Hütte

Die Vorgeschichte

 

Im Tal der Dietzhölze, nördlich von Dillenburg, liegt Eibelshausen, das heute zu der Gemeinde Eschenburg gehört. Hier und bei den nahegelegenen Orten finden sich die frühesten Hochofenanlagen der Lahn-Dill-Region. Der Archäologe Prof. Albrecht Jockenhövel von der Universität Münster konnte in diesem Bereich   Eisenmetallschmelzen der Kelten aus der Latènezeit nachweisen. Sie betrieben ihr Handwerk zunächst als Waldbauern, wanderten später mit der Erfindung der Wasserkraft in das Tal der Dietzhölze, um mittels Wasserkraftanlagen die Blasebälge, Eisenhämmer und Maschinen anzutreiben.

 

Geschichte der Eibelshäuser Hütte

 

Am 20. Februar 1613 erhielt Daniel Heidrich aus Eibelshausen nach einem heftigen Sturm, der viel Bruchholz bescherte, die Genehmigung des Grafen von Nassau-Dillenburg, am Ortsrand eine Eisenhütte zu erbauen. Gewisse Hinweise lassen den Schluss zu, dass an dieser Stelle bereits schon viel früher Eisen hergestellt wurde, so dass die Eibelshäuser Hütte einer der ältesten Industriebetriebe in Deutschland ist. Schon ein halbes Jahr später ging sein erster Holzkohlehochofen in Betrieb.

Bis weit in den Dreißigjährigen Krieg hinein konnte der Betrieb aufrechterhalten werden. Um 1635 kam das Eisenwerk während einer Pestwelle zum Stillstand und verfiel anschließend. Die Erben von Daniel Heidrich überließen ihre Anteile einem Konsortium, das auch die Neuhütte in Ewersbach betrieb. Sie bauten die Eibelshäuser Hütte nach Kriegsende wieder auf. Zur weiteren Entwicklung der Hütte fehlen gesicherte Angaben.  

Erst ab dem 18. Jahrhundert hat wieder ein regelmäßiger Betrieb stattgefunden.

Aus dem Jahr 1751 sind in Schmelzberichten Produktionsmengen von 13 Tonnen Roheisen pro Woche belegt. Auch wurden in diesem Jahr geringe Mengen von gusseisernen Produkten hergestellt. In dem inzwischen landesherrlichen Eisenwerk wurden neben Roheisen auch Gusserzeugnisse wie z.B. Öfen und Ofenplatten mit biblischen Motiven hergestellt.

Ab 1762 wurde die Hütte total neu aufgebaut und 1770 in Betrieb genommen. Der alte, aus Feldsteinen und Lehm bestandene Hochofen musste stillgelegt werden und wurde 1791 durch einen gemauerten Hochofen ersetzt, der mit 7,80 m Höhe der höchste Holzkohlehochofen im Dillrevier war.

Als Hüttenverwalter wurde der Oranien-Nassauische Hüttenfachmann Johann Heinrich Jung (eigentlich: Johann Helmann Jung) aus dem Siegerland eingesetzt.

1816 erfuhr die Hütte nach Verpachtung an ein Konsortium, dem auch Jung angehörte, eine entscheidende Wende. Die anderen Beteiligten des Konsortiums hatten mit der Neuhütte im benachbarten Ewersbach keinen Erfolg und gaben ihren Betrieb auf.  Jung, nun alleiniger Pächter der Eibelshäuser Hütte, investierte mit eigenem Kapital die Modernisierung der Hütte und der ihr angeschlossene Steinbrücker Hammerwerke auf brachte alle auf den technisch modernsten Stand. Der 1833 ausgelaufene Pachtvertrag wurde um 20 Jahre verlängert.

1845 hatte die Hütte bereits 20 feste Mitarbeiter. Weitere 500 Mann waren mit der Gewinnung und dem Transport der Erze aus eigenen Gruben im Schelderwald und der Anfuhr des Brennholzes beschäftigt.

Die Familie Jung gründete weitere Eisenwerke in Laasphe, Biedenkopf, Ewersbach und in ihrem Wohnort Steinbrücken und überführte ihre Werke im Dietzhölztal in die Firma „J. J. Jung oHG“. Sie konnte sich 1865 aus den Pachtverträgen lösen und das Eibelshäuser Werk sowie die Steinbrücker Hammerwerke aus dem nassauischen Staatsbesitz käuflich erwerben.

Der Familie Jung gehörten inzwischen elf Eisenwerke in Eibelshausen, Steinbrücken, Straßerwersbach, Biedenkopf und Niederlaasphe. 1883 wurden alle 11 Werke zu der Familienaktiengesellschaft „Hessen-Nassauischen Hüttenverein“ zusammengeschlossen.

 

Die Eibelshäuser Hütte konzentrierte sich auf die Herstellung der unterschiedlichsten Öfen, Herde und Ofenplatten. Die Kunden konnten nach Musterbüchern, die zumeist bei Eisenwarenhändlern vorlagen, eine Vielzahl von Öfen und Herden bestellen. Die Angebotspalette reichte vom kleinen, transportablen Frühstücksherd bis zu aufwendigen Ofen-Herd Kombinationen in zahlreichen Variationen, wobei sich der Preis nach dem Gewicht richtete.

Andere Gusswaren wurden, neben den obligatorischen Öfen, auf der Amalienhütte in Niederlaasphe, der Ludwigshütte in Biedenkopf und der Neuhütte bei Straßebersbach produziert.

Technisch wurde die Eibelshäuser Hütte weiter verbessert. So wurde z.B. 1869 ein derzeit  hochmodernes Dampfmashinengebläse installiert. Ab 1890 musste die Roheisenerzeugung aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden. Die Hochofenwerke im Lahn-Dill Revier konnten mit den großen Werken an Rhein und Ruhr nicht mehr Schritt halten. Der Hochofen wurde stillgelegt und die Hütte auf den kostengünstigeren Kupolofenbetrieb mit Koksheizung umgestellt. Mit ihnen wurden Gusswaren durch eine erneute Schmelze von zugekauftem Gießereiroheisen hergestellt. Nach Abschluss der Umstellung auf den reinen Gießereibetrieb endete 1898 eine jahrtausendealte Ära der Eisenverhüttung. 

 

Im Ofen- und Herdbau konzentrierte man sich auf wenige Grundmodelle. Durch Anbringen von unterschiedlichen gusseisernen oder emaillierten Platten erreichte man viele Modellvariationen. Die Modelle wurden über lange Zeit hinweg angeboten, um den Zeitgeschmack unterschiedlicher Generationen zu befriedigen.

Der Hessen-Nassauische Hüttenverein nahm Ende der 20er Jahre die Modernisierung aller Gießereien seiner Betriebe in Angriff. Großer Wert wurde auf einen fließenden Arbeitsablauf und auf Qualitätskontrollen auf jeder Produktionsstufe Wert gelegt. Ob das Werk dadurch aber die Ausmaße erreichte, wie ein Briefkopf aus dieser Zeit zeigt, mag man bezweifeln.

 

Die dafür aufgewendeten hohen Investitionskosten brachten jedoch den Hüttenverein während der Weltwirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten. 1932 musste er notgedrungen mit den Buderus’schen Eisenwerken eine Interessengemeinschaft vereinbaren, die 1935 in eine Fusion endete.

Auf der nun zu Buderus gehörenden Eibelshäuser Hütte wurde die Ofenproduktion weiter modernisiert und ausgebaut, denn die Hütte war ein wichtiger Bestandteil des Konzerns.

Nachdem die Hütte während des Krieges Rüstungsgüter produzieren musste, begann man nach Kriegsende mit der Herstellung einfacher und preiswerter Öfen und Herde. Erst nach der Währungsreform von 1948 wurde das Emaillewerk wieder in Betrieb genommen und zunehmend anspruchsvollere Kohleöfen hergestellt. Als in den 60er Jahren weniger Einzelöfen sondern mehr Zentralheizungen nachgefragt wurden, konzentrierte Buderus im Eibelshäuser Werk die zentrale Kohleofenproduktion des Konzerns. 1964 wurde mit 242.181 Kohleöfen die höchste Jahresproduktion bei einer Belegschaft von 1060 Mitarbeitern erzielt.

Mit der veränderten Nachfrage hin zu Ölöfen und Zentralheizungen musste das Werk in Eibelshausen umgestellt werden, das von 1950 bis 1975 insgesamt 2,5 Millionen Kohleöfen produziert hatte.

Mit nachlassen der Nachfrage nach diesen Öfen suchte Buderus nach neuen Verwendungen für das Eibelshäuser Werk. So wurden ab 1970 Warmluftautomaten und Kombithermengeräte von der Buderus-Tochtergesellschaft Omnical in das Produktionsprogramm aufgenommen und das Werk in den Flugzeugküchenbau der Burger Eisenwerke einbezogen.

Da alle Umstrukturierungen nicht zukunftsträchtig erschienen, errichtete Buderus im Werk Eibelshausen die weltweit erste komplette Fertigungslinie für Flachheizkörper. Hier wurden zum ersten Mal auch eine rechnergestützte Fertigungssteuerung und Auftragsabwicklung in Verbindung mit der Hauptzentrale in Wetzlar realisiert. Noch entscheidender war für das Werk der Beschluss der Konzernleitung, in Eibelshausen künftig die gesamte Warmwasserspeicherproduktion nach Eibelshausen zu verlegen. Auch die Herstellung von Stahlheizkesseln wurde 1988 zentral nach Eibelshausen verlagert, während die Fertigung von Flachheizkörpern 1994 nach Neukirchen in Sachsen abgegeben wurde.  

Zwischen 2003 und 2005 vollzog sich die Übernahme der Buderus AG durch die Robert Bosch GmbH. Der Standort Eibelshausen wurde Teil des Geschäftsbereiches Thermotechnik von Bosch und produziert seit 2007 Warmwasserspeicher und Wärmepumpenspeicher für weitere Marken (Buderus, Junkers) des Geschäftsbereiches Thermotechnik bestimmt und stufenweise als Leitwerk für Warmwasserspeicher ausgebaut. Dafür wurden 2011 und 2012 rund 12 Millionen Euro investiert.

Das heutige Werk Eibelshausen von Bosch Thermotechnik ist ein Beispiel für die gelungene Anpassung eines ursprünglichen heimischen Roheisenproduzenten an den technischen Fortschritt und die veränderte Konsumnachfrage im Laufe der Jahrhunderte. Am Standort sind rund

310 Mitarbeiter beschäftigt.

Zu Beginn des  Jahres 2020 beschloss die Bosch Thermotechnik das Werk, dessen Fortbestand mehrfach auf der Kippe stand, weiter auszubauen. Unter dem Begriff "Industrie 4.0" wurde 3,5 Mio. EUR in die Produktion und die Fertigung von Speicher für die neueste Generation von Wärmepumpen investiert. Die Mitarbeiter erhielten einen neuen Tarifvertrag und eine Beschäftigungsgarantie bis mindestens zum Jahr 2025.

Heutige Situation:   

Das Werksgelände mit (inzwischen Stillgelegter direkter Anbindung an die Dietzhölztalbahn) erstreckt sich vom Ortsausgang Eibelshausen bis zum Ortseingang Steinbrücken. Heute wie früher ist das Werk ein zentraler Arbeitgeber für die Bewohner der angrenzenden Orte. So finden sich in nahezu jeder Familie Männer die (teilweise über mehrere Generationen hinweg) „zur Hütte“ gingen. Das Werk beschäftigt heute ca. 400 Mitarbeiter.

Von der alten Bausubstanz ist nur noch ein dreistöckiges Gebäude aus dem Modernisierungsprozess Anfang der 30er Jahre erhalten. Ein Produktionsgebäude aus dem ersten Drittel des 20. Jh. besteht noch. Es hebt sich mit seinen rundbögigen Sprossenfenstern aus der modernen Zweckarchitektur hervor Die halbrunden Sprossenfenster wurden jedoch teilweise durch einfache Rechteckfenster ersetzt. Das Gebäude dient als Lager und zu sonstigen wechselhaften Zwecken. Daneben existiert nur noch ein Trafohäuschen verm. aus den 20er Jahren.

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