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Die Friedrichshütte bei Laubach

Die Vorgeschichte

 

Die Friedrichshütte war ein Eisenhüttenwerk in Ruppertsburg, einem Ortsteil von Laubach im Landkreis Gießen am Rande des Vogelsberges. Bauherr und auch Namensgeber der Hüttenanlage im oberen Horlofftal war Graf Friedrich Ernst zu Solms-Laubach (1671-1723). Die von ihm im Jahre 1707 neu erbaute Eisenhütte entstand auf einem Areal, auf dem schon seit langer Zeit in unregelmäßigen Abständen Eisen geschmolzen wurde. Die Vulkangegion des Vogels-berges ist reich an Eisenerzen, da die Vulkanasche ca. 7% Eisen enthält, das sich im Laufe der Erdgeschichte durch verschiedehne Vorgänge anreicherte.

Im 16. Jahrhundert werden in den Kirchenbüchern eine Eisenhütte und ein Eisenhammer erwähnt.  Die Verhüttung von Eisenerz aus den Gruben des Vogelsberges in einfachen Rennöfen ist in dieser Gegend seit dem 9. Jahrhundert bekannt. Sie reicht aber wahrscheinlich bis in keltischer Zeit zurück.

Der erste in dieser mittelhessischen Region nachweisbare Gießofen, ein „Hoch- oder Blauofen“, wurde am östlichen Rand von Ruppertsburg aufgebaut, etwa 250 Schritt von der Stelle, an der später die Friedrichshütte errichtet wurde. Die Hütte wurde ab 1585 von dem Wallonen Heinrich Olivy aus Spa bei Lüttich betrieben, der sich als „Ofengießer“ bezeichnete. Ab 1589 beschäftigte er seinen Landsmann Barthel Thuman auf der Hütte.

Zur Hütte gehörte ein Hüttengebäude in dem sich auch die Gießerei befand. Der Hochofen war mit einem Blasebalg verbunden, der mit Hilfe eines Wasserrades im Horloff-Bach betrieben wurde. Daneben gab es einen Kohleschuppen, Lagerstätten für die Eisenerze und ein Pochhaus, in dem das Eisengestein zerkleinert wurde.

Die Hütte wurde irgendwann, vermutlich nach dem Tode des Betreibers, aufgegeben.

Einen Neuanfang erlebte die Hütte, auch „Schmelz“ genannt, Anfang des 17. Jahrhunderts durch einen Hans Caspar aus Laubach. Die Existenz seiner Hütte kann bis 1628 nachgewiesen werden, dann erfolgte die Aufgabe mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges, als die kaiserlichen und die bayrischen Truppen, die im nahen Wetterfeld ihr Hauptquartier hatten, alle Gebäude zerstört und die Ernte vernichtet hatten.

 

Die Gründung der Friedrichshütte durch Graf Friedrich Ernst zu Solms-Laubach im Jahre 1707

 

Um die Einkünfte der gräflichen Kammer zu steigern, gründete Graf Friedrich Ernst die nach ihm benannte Eisenhütte auf dem Gelände der ehemaligen „Schmelz“. Landgraf Friedrich Ernst verfolgte damit nicht nur das Ziel, seine gräflichen Einkünfte zu verbessern. Seine Grafschaft gehörte nach den Schäden, die der Dreißigjährige Krieg und die anschließende Pest hinterlassen hatten, zu dem „Armenhaus“ Deutschlands. Durch die Einkünfte wollte der sehr sozial eingestellte Landesherr das Schulwesen, die Infrastruktur und soziale Einrichtungen finanzieren. Vor allem wollte er Arbeitsplätze schaffen, um die weit verbreitete Armut zu mildern. Eisenerze gab es in der Nähe, die aber zur Versorgung der Hütte nicht ausreichten, dagegen bestand ein großer Waldreichtum zur Erzeugung von Holzkohle in seiner Grafschaft. Das Angebot zweier Hüttenmänner aus Hirzenhain bzw. Gießen zum Aufbau eines Hütten- und Hammerwerkes lehnte der stets auf die Ordnung seiner Finanzen bedachte Graf als derart ungünstig für ihn ab und entschloss sich, diese auf Landeskosten zu errichten. Einen fachlichen Ratgeber fand der in dem Chemiker und Hüttensachverständigen Friedrich Nicol Alberti (auch Albertus genannt). Er war nicht nur ein guter Chemiker und Mineraloge sondern besaß auch umfangreiche Kenntnisse im Eisenhüttenbau. Über die Grenzen hinweg war er als technischer Zeichner und „Allround-Talent“ bekannt. Er untersuchte die Gegend auch nach geeigneten Eisensteinlagern. Man entschied sich jedoch, das Erz aus den Gruben im Gebiet Tiergarten bei Hungen und dem benachbarten Heckenwald zu verwenden. Alberti erhielt daraufhin den Auftrag, das Eisenhüttenwerk zu planen und aufzubauen. Dazu mussten die ganzen Wasserwerkanlagen erneuert werden. Diese Aufgaben unterstanden dem Müller von Ruppertsburg.

Im Jahre 1707 war das Werk fertig gestellt. Der Hochofen wurde genau nach den Maßen des Ofens auf der Oberndorfer Hütte errichtet. Er war 6,30 m hoch. Das angrenzende Hochofengebäude bestand aus dem Gichthaus und der Gießerei. Es war 31,80 m lang und ca. 14 m breit. Es wurden Plätze für die Lagerung der gepochten Steine und zur Aufbewahrung der Hochofengeräte vorgesehen. Links vom Hochofen waren die Bälge angebracht, die von einem Wasserrad im Horloff- Bach angetrieben wurden, recht von ihm befand sich der Steinpocher. Auf den Gruben wurde der Pochstein vom Wascherz geschieden, von Frauen und Mädchen ausgelesen und mit zweirädrigen Sturzkarren zum Hochofen gefahren.   

Am 12. Oktober 1707 wurde der Hochofen angeblasen. Am 26. Oktober gab der Hofrat Ebert dem Grafen bekannt, dass innerhalb von 24 Stunden schon zweimal gegossen werden konnte und bei der Wochenbilanz sich ein Reinüberschuss von 100 fl. ergeben hat. Die erste Hüttenreise dauerte 10 Wochen. Neben dem Roheisen wurden auch Gussprodukte wie Ofen- und Herdplatten, Bügeleisen, Ambosse und sonstige Gussprodukte für Haus und Hof hergestellt. Schon der erste Versuch erbrachte einen Gewinn von 508 Gulden. Hierbei wurden 1099 Zentner 62 Pfund Roheisen sowie 207 Zentner 72 Pfund Gusswerk erzeugt. Graf Friedrich Ernst entschloss sich, zur Weiterverarbeitung des Roheisens zu Schmiedeeisen in unmittelbarer Nähe zur Friedrichshütte ein Hammerwerk, den „Hessenbrücker“ Hammer, zu errichten.

   Die zweite Hüttenreise (Zeitperiode der Verhüttung) begann im Sommer 1709 und dauerte bis Dezember. Jetzt wurden schon 2169 Zentner 80 Pfund erblasen, bei Gusseisen sogar 1070 Zentner und 64 ½ Pfund. Der Gewinn erhöhte sich auf 1237 Gulden.

Die Friedrichshütte erweiterte ihr Produktionsprogramm ständig. Neben Öfen, Herden, Ofen- und Herdplatten sowie Kochgeschirr wurden auch Werkzeuge und Teile für die Mechanik der benachbarten Mühle gegossen.

Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, gerieren die Finanzen unter dem Verwalter Alberti in Unordnung, so dass Graf Friedrich Ernst die Friedrichshütte und den Hessenbrücker Hammer acht Jahre später den Hüttenfachmann Johann Jakob Neuburger aus Ortenberg in der Wetterau verpachtete. Er war Pächter mehrerer Hütten und erwarb die Friedrichshütte, auf der er sich selten aufhielt, um eine Konkurrenz für seine bestehenden Hüttenwerke auszuschalten. Eine seiner ersten Entscheidungen sollte weitreichende Folgen haben: er stellte 1717 als Schreiber einen Johann Wilhelm Buderus ein, der schon bald die gesamte technische und kaufmännische Leitung der Hütte übernahm und bereits fünf Jahre später, also 1722, Hüttenverwalter wurde. Hüttenschreiber wurde sein Bruder Johann Philipp Buderus. Neuburger hatte die Produktion der Friedrichshütte aus eigenem Interesse vernachlässigte und es tauchte der Verdacht auf, dass er den Kautionsschein über 2000 Gulden versetzt hatte.

Buderus hingegen steckte immer wieder eigene Mittel in die Hütte, so dass ihm bald der größte Teil des Betriebskapitals gehörte. Dieses sprach sich am Hofe herum. Als der Pachtvertrag mit Neuburger im Jahre 1730 abgelaufen war, stellte Buderus den Antrag, den Pachtvertrag auf ihn zu überschreiben. Er löste die Kaution von Neuburger ab und erhielt die Friedrichshütte mit den beiden dazu gehörenden Hämmern am 14. März 1731. Dieses Datum wird allgemein als das Gründungsdatum der Firma Buderus angesehen.    

 

 Die Ära Buderus

Trotz aller Bemühungen, die Wirtschaftlichkeit der Hütte zu steigern, stieß Buderus auf ein Hindernis: Die Gruben der Grafschaft lieferten nicht genügend, oft minderwertigen Eisenstein. Schürfungen im Ausland wurden von den Eignern der Grundstücke erheblich behindert, und die Transportkosten stiegen zunehmend, so dass Buderus kaum Gewinne erzielte und um Nachlass der Pacht beim Grafen bitten musste, der ihm auch gewährt wurde.

Buderus ergriff verschiedene Maßnahmen, um seine Ertragslage zu verbessern. Er schränkte die Gießerei ein, da dieser Zweig kaum Gewinne brachte und konzentrierte sich mehr auf die Schmiedeeisenerzeugung, obwohl die hessische Regierung erhebliche Schwierigkeiten bei der Wassernutzung des Oberhammers bereitete. Immerhin gelang es Buderus durch geschickte Verhandlungen, die Exporte des Roheisens zu verdoppeln.  

1753 starb Johann Wilhelm Buderus I. Seine zweite Ehefrau Elisabetha Magdalena übernahm mit Hilfe des Hüttenfaktors Johann Jacob Schneider das Unternehmen. Sie hatte nicht nur die eigene Familie zu ernähren, sondern musste auch noch die Kinder aus der ersten Ehe ihres Gatten auszahlen. Gewinne aus dem Hüttenbetrieb in der Zeit des Siebenjährigen Krieges waren nicht zu erwarten. Im Gegenteil. In der Wetterau lagerten Truppen unterschiedlicher Art, die sich von der Bevölkerung nahmen, was sie brauchten, diese häufig überfielen und ausrauben oder sonstige Gewalt anwendeten. Darunter litten auch Köhler und Fuhrbetriebe, so dass an einen normalen Hüttenbetrieb nicht zu denken war. Dennoch gelang es Elisabetha Margareta die Überwindung mehrerer Schwierigkeiten mit Hilfe des Fürstlich Stolbergischen Hüttenfaktors. Sie erreichte auf Grund dieser belastenden Situation die Verringerung des Pachtzinses und die Herabsetzung der Kautionssumme von 3000 auf 2000 Gulden.

Ab 1762 zog Elisabetha Magdalena Buderus ihren jüngeren Sohn, Johann Wilhelm, der damals 21 Jahre alt war und bereits eine Ausbildung erhalten hatte, zur Mithilfe heran. Ihm wurde sein Schwager Johann Ludwig Schneider als Buchhalter beigeordnet. Johan Wilhelm hatte sich um Tierfutter, Köhlereibedarf, Mühlengut, die Versorgung von Menschen und Tieren der Hütte zu kümmern und die Gesamtbuchführung zu führen und zu organisieren. Am Schluss eines jeden Vierteljahres hatte er einen Auszug daraus den Vormündern und auch seiner Mutter vorzulegen. Diese war schon früh darauf bedacht, ihm charakterlich, geistig und körperlich zu einer Führungspersönlichkeit zu formen und insbesondere ihn in seinem Sozialverhalten derart zu schulen, dass ihm jederzeit die Schicksalsgemeinschaft von Unternehmer und Arbeiterschaft bewusst war. Hierin sah die Mutter die Grundlage und Voraussetzung einer gedeihlichen Entwicklung des ganzen Unternehmens.

Diese Erziehung hat in dem jungen Johann Wilhelm schon früh einen starken geschäftlichen Ehrgeiz geweckt. Die schwere wirtschaftliche Lage während und nach dem Siebenjährigen Krieg führte den jungen Buderus hinaus nach Weilburg, wo er die Tochter Sophia Johannetta Wilhelmine des vermögenden Hüttenherrn Johannes Trieb aus Weilburg 1868 heiratete. Trieb betrieb die Audenschmiede bei Weilmünster und den Eisenhammer zu Schmitten mitsamt dem Zainhammer bei Hattstein im Taunus.  Er verlangte jedoch, dass dem jungen Buderus die Pachtung der Friedrichshütte überschrieben wurde, wozu seine Mutter einwilligte. Als seine junge Frau plötzlich starb, heirate Buderus deren Schwester Christiane Friederike.

Der finanzielle Rückhalt mit der wohlhabenden und angesehenen Familie erleichterte Buderus II, die schwierige Situation der Friedrichshütte insofern zu mildern, als dass er den Grafen zu Laubach zu manchen Zugeständnissen bewegen konnte. Wegen der ausstehenden Pachtzahlungen war die Friedrichshütte bereits zum Verkauf ausgeschrieben. Buderus entwickelte zum Grafen, der auf Grund seiner glänzenden Hofhaltung hoch verschuldet war, ein nahezu freundschaftliches Verhältnis, und der Graf wusste, dass er auf dem größten Unternehmer seiner Grafschaft angewiesen war.

Im Jahre 1776 ernannte der Graf zu Solms-Laubach den 35-jährigen Buderus zum gräflichen Bergrat. Daraufhin erweiterte und modernisierte er die Friedrichshütte. 1770 bestand sie aus dem Schmelzgebäude, dem inzwischen erbauten Zainhammer mit einer eigenen Eisenkammer, dem Schlackenpochwerk sowie aus zwei Kohleschuppen, dem Verwaltergebäude, einer Scheune und je einen Stall für die Pferde, die Schweine und das übrige Vieh. Für die Arbeiter standen drei Wohn- bzw. Schlafhäuser zur Verfügung. Das Schmelzgebäude enthielt den Hochofen, eine Eisen- und eine Formkammer sowie einen Raum für das Formen der Ofenplatten. Gegenüber der Linde wurde ein Eisenmagazin aufgebaut, und für das tägliche Brot sorgte ein eigener Backofen. Die Friedrichshütte war zu um 1770 also noch ein Mischunternehmen zwischen einem Bauernhof und einem Industriebetrieb.  

Der schon ohnehin nicht sehr florierenden Friedrichshütte drohte 1778 ein weiteres, existenzbedrohendes Ungemach in Form eines Ein-und Ausfuhrverbots für ausländisches Eisen der Regierung von Hessen-Darmstadt. Denn die Hauptgeschäftspartner für den Buderus’schen Zainhammer befanden sich im hessen-darmstädtischen Teil des Vogelsberges. Die Regierung beabsichtigte die Unterstützung der Werke in Biedenkopf und Schellnhausen an der Felda. Dieses Verbot hat aber bei allen hessischen Nagelschmieden heftige Proteste ausgelöst, so dass Buderus bei allen Amtmännern dagegen Stimmung machte. Es entwickelte sich ein Kleinkrieg um dieses Thema, das zu eskalieren drohte und die Friedrichshütte in ihrem Bestand ernsthaft in Gefahr brachte.  Für die Friedrichshütte waren die Bestrebungen des Hüttenverwalters Doepp von Biedenkopf zusammen mit dem Forstverwalter Follenius den Hammer zu Schellnhausen mit dem alleinigen Recht des Eisenverkaufs in einer größeren Zahl von hessischen Ämtern zu pachten, von überlebenswichtiger Bedeutung. Außerdem versuchten sie, ein Eisensteinbezug exklusiv für ihre Betriebe aus den Hungener Bergwerken durchzudrücken, wodurch Buderus seine besten Eisenerzgruben verloren hätte.

Um sich das lebensnotwendige Absatzgebiet zu sichern und die Gefahren des Wettbewerbs auszuschalten, pachtete Buderus zusammen mit seinem Schwager Schneider den Eisenhammer zu Schellnhausen mit dem alleinigen Recht des Eisenverkaufs in den fünf hessischen Ämtern Burggemünden, Grebenau, Grünberg, Schotten und Ulrichstein auf 12 Jahre gegen eine jährliche Pacht von 700 Gulden. Auch konnte er später verschiedene Verbote und Beschränkungen zu seinen Gunsten erreichen, so dass die Friedrichshütte jederzeit mit gutem Eisenerz und einem weiten Absatzgebiet sich prächtig erholen konnte. Dazu trugen vor allem auch Militäraufträge während der anschließenden Freiheitskriege bei. Die Friedrichshütte, die noch auf ausreichende Holzbestände im Vogelsberg zurückgreifen konnte, produzierte Bomben und Kartätschen. Buderus war das einzige Unternehmen der Eisenindustrie, das in dieser Zeit expandieren konnte, da die Gegend um den Vogelsberg von den Truppen wenig heimgesucht wurde und eine sehr viel bessere Holzversorgung als andere Gebiete hatte.

 

Buderus während der französischen Besatzung

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als alle Eisenhütten unter Holzknappheit, Rohstoffmangel, fehlende Fuhrbetriebe und allerlei Restriktionen litten, konnte Buderus sein Unternehmen sogar vergrößern, was der Friedrichshütte immer neue Absatzmärkte eröffnete. Als geschicktester Schachzug seiner Amtszeit galt der Erwerb der Audenschmiede bei Weilmünster von den Erben des hessen-darmstädtischen Hofrats Johan Ernst Wachter im Jahre 1798. Hierbei handelte es sich im das bedeutendste Eisenhüttenwerk im Raum Nassau-Weilburg, dem damaligen Zentrum der Montanindustrie an der mittleren Lahn. Gegen den Kauf regten sich erhebliche Widerstände, da das Hauptproblem des Betreibens eines Eisenwerkes das Holz war, das zunehmend knapper wurde. Nur in gerade dieser Zeit, in der viele Gemeinden, Grafschaften und Fürstentümer noch unter dem Geldmangel der langen Kriegszeit mit ihren Folgen litt, wurde Holz in großen Mengen eingeschlagen und verkauft, um die Kassen wieder zu füllen. Die Friedrichshütte, die am wenigsten vom Krieg betroffen war, profitierte in erster Linie von den fallenden Holzpreisen, die den größten Kostenfaktor in der Eisenproduktion darstellte.

Im Jahre 1806 starb Bergrat Johann Wilhelm Buderus II. Er hinterließ neben seiner Ehefrau drei erwachsene Söhne und eine minderjährige Tochter. Sein Vermögen war von 710 Gulden auf 180.000 Gulden bei seinem Tode angewachsen. Die Witwe und die Tochter wurden mit je 80.000 Gulden abgefunden, dessen Auszahlung jedoch über einen langen Zeitraum so erfolgte, dass dem Unternehmen nicht zu viel Kapital auf einmal entzogen wurde. Die drei Söhne Johann Christian Wilhelm, Anton Georg Wilhelm und Georg Friedrich Andreas schlossen 1807 ein Sozietätsvertrag und führten das väterliche Unternehmen unter der Firma „J.W. Buderus Söhne“ weiter.

Etwa ab 1811 machte sich auf Grund der Überproduktion von Eisen ein plötzlicher wirtschaftlicher Rückschlag bemerkbar. Die gleichzeitig in Frankreich aufkommende Wirtschaftskrise griff über die Rheinbundstaaten nach Nassau über und verstärkte die inländische Rezession zusätzlich. Es konnte fast kein Eisen mehr abgesetzt werden Viele Unternehmen überstanden diese Zeit nicht. Buderus hatte jedoch geschickt vorgesorgt und konnte die niedrigen Eisenpreise gut verkraften.

    Nachdem die Sozietät Buderus Söhne 1812 auch noch die Löhnberger Hütte übernommen hatte, wurde der Betrieb auf der Friedrichshütte erheblich vergrößert. 1821/22 wurde der Hochofen und das Schmelzgebäude, in dem er stand, völlig neu gebaut und zwei Kohleschuppen errichtet. Ein neues Herrenhaus war bereits 1817 fertig gestellt worden. Das Gebäude zur Platten- und Sandgießerei wurde ebenfalls neugebaut. Um 1822 hatte die Friedrichshütte eine Belegschaft von 30-40 Mann, 1830 bereits 164 Mitarbeiter. Der Hochofen war von 1827 bis 1830 ununterbrochen in Betrieb. 1830 wird ein Kupolofen als zweiter Ofen installiert.

Der zur Friedrichshütte gehörende Oberhammer an der Lauter zwischen Laubach und Grünberg ging um 1820 an die Firma Buderus über und wurde nach Georg Buderus I „Georgenhammer“ genannt. Er umfasste einen Zain- und einen Kleinhammer. Auf Grund erheblicher technischer Neuerungen, vor allem im Betrieb der Hochöfen, wurde der Hochofen auf der Friedrichshütte mit neuartigen Winderhitzern ausgerüstet, deren Wirkungsgrad um ein Vielfaches höher war als die alten Blasebälge. Bereits 1815 war die Firma J.W. Buderus Söhne Marktführer in der Region. Hergestellt wurden Gusswaren aller Art, insbesondere Öfen und Herde sowie Poteriewaren.  

Nach dem Tode von Georg Buderus I im Jahre 1840 wurde die Sozietät auf die vierte Buderus-Generation aufgeteilt. In dieser Zeit wurde die Lahn bis nach Weilburg, dem Zentrum der Hüttenaktivitäten in Oberhessen, schiffbar gemacht. Alle verkehrsmäßig ungünstigen Hütten verloren zunehmend an Bedeutung, da die Frachtkosten einen hohen Bestandteil an den Preisen für Eisen und Gussprodukten ausmachten. Zu diesen Hütten gehörte auch die ungünstig gelegene Friedrichshütte. Die Fuhrleute aus Ruppertsburg klagten schon lange, dass sie die weiten Wege, vor allem im Winter, nur unter sehr erschwerten Bedingungen bewerkstelligen konnten. Die Sozietät J.W. Buderus verlegte ihren Firmensitz nach Hirzenhain, etwa 30 km südlich von Ruppertsburg. Die Hirzenhainer Hütte wurde von Georg Buderus I bereits 1817 gepachtet und wurde zum größten Montanbetrieb Oberhessens. Der Verlängerungsvertrag der Friedrichshütte von 1844 bis 1870 wurde schon vom neuen Firmensitz in Hirzenhain aus verhandelt. In diesem Vertrag spielten bereits die veränderten Strukturbedingungen und die mangelhafte Verkehrsanbindung eine wesentliche Rolle, als deren Folge die Friedrichshütte bereits an Bedeutung verloren hatte. Die Produktion wurden weiter eingeschränkt und der Hochofen 1868 endgültig ausgeblasen. Zu einer weiteren Pachtverlängerung, deren Vertragsverhandlungen bereits von dem neuen Firmensitz, der Main-Weser-Hütte in Lollar geführt wurden, kam es nicht. Die Firma J.W. Buderus teilte 1870 dem Grafen mit, dass die „Handelscoecität“ aufgelöst wird und dass über die Geschäfte der Friedrichshütte ein Liquiditationsverfahren eingeleitet wurde.

 

Die Ära Römheld

Die Gräfliche Solm-Laubach’sche Rentenkammer schrieb 1869 in mehreren überregionalen Fachzeitschriften die Neuverpachtung der Friedrichshütte aus. Bemerkenswert an der Ausschreibung ist der Hinweis auf die Nähe zur Main-Weser-Bahn bei Gießen gleich als ersten Punkt des Ausschreibungstextes, gefolgt von der kommenden Anbindung an die im Bau befindliche Bahnen von Gießen nach Gelnhausen und Gießen-Fulda. Direkt danach wird der große Buchenbestand der Region erwähnt und die Wasserkraft mehrerer Bäche. Obwohl Gießen mit dem Fuhrwerk eine fast Tagesreise von Gießen entfernt lag, galt dieses schon als Standortvorteil für einen Betrieb dieser Art.

Im Auftrage eines „Vereins für chemische Industrie“ unterschreibt am 1. April 1870 Heinrich Dietze den Pachtvertrag. Mit unterschrieben wird der Vertrag von Adolph Römheld mit „p.p. Julius Römheld“ als Geschäftsleiter. Hinter beiden steht Julius Römheld, der 14 Jahre ältere Bruder von Adolph. Julius Römheld hatte bereits 1849 den ersten Kokshochofen in Mühlheim an der Ruhr gebaut. Da er die für Deutschland neue Technik nicht ausreichend beherrsche, studierte er Chemie und setzte dann erfolgreich an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet seine Tätigkeit fort und leitete schließlich verschiedene große Eisenhüttenbetriebe. Julius Römheld meldet sich am 13. Mai 1870 als „Schmelzunternehmer“ in Ruppertsburg an. Damit bestanden formell zwei Betriebe auf der Friedrichshütte: 1. der „Verein für chemische Industrie“ als Pächter der gräflichen Hütte und 2. die Eisengießerei Julius Römheld.

Das Angebot der Friedrichshütte änderte sich durch die Neuübernahme bis zur Jahrhundertwende nicht wesentlich. Poteriewaren und die täglichen Produkte für Heim und Hof standen im Mittelpunkt der Herstellung. Der Hochofen wurde 1876 nach einer Kampagne von fast 5 Jahren ausgeblasen und anschließend mit moderner Technik neu aufgebaut. Aber das Ende der Eisenherstellung mittels Holzkohleverhüttung war aus Kostengründen nicht mehr am sich ständig ausweitenden Markt konkurrenzfähig. Im Jahre 1879 musste die Eisenherstellung, wie bei vielen ähnlichen Unternehmen, aufgegeben werden. Eine Umstellung auf Steinkohle bzw. Koksbetrieb war in der abgelegenen Region – abgesehen von den finanziellen und technischen Problemen- unwirtschaftlich.

Das Unternehmen beschäftigte zu der Zeit etwa 100 Arbeitnehmer. Adolf Römheld beriet mit seinem Bruder Julius mögliche Alternativen, wobei auch der Erwerb der Lahnhütte in Gießen angedacht war. Schließlich entschloss er sich auf die die Eisengussproduktion mittels Kupolofenbetrieb und eine Maschinenfabrik anzugliedern. Adolph Römheld erwarb das Gewerbepatent meldete sich 1879 als „Eisengießer“ in Ruppertsburg an und sein Bruder übergab ihm den Betrieb.

Der Kupolofenbetrieb eröffnete eine größere Diversifikation des Produktionsprogramms. Vor allen nutzt Römheld die Möglichkeit, die Vielseitigkeit bei kleineren Margen zu nutzen oder auch Sonderanfertigungen zu liefern. Neben dem ehemaligen Stammsortiment gewann in der Bauphase des beginnenden 20. Jahrhunderts die Herstellung von Gebrauchs- und Baumaterialien, Kanalgussartikeln, und Maschinenguss für die unterschiedlichsten Branchen eine wachsende Bedeutung.

Die Jahrhundertwende war die Blütezeit für technische Neuerungen und eine erhebliche Verbesserung der Infrastruktur. Als technische Neuerung wurde 1891 eine Dampfdresch-Locomobile aufgestellt, die per Transmission die Maschinen der Fabrik antrieb. Eine deutliche Aufbesserung Infrastruktur erfährt die Hütte 1886 durch den Bau einer Kreisstraße zwischen dem benachbarten Gonterskirchen und den Hüttengelände und einer neuen Brücke über die Horloff. Auch werden Wasserleitungen gelegt, bessere und stärkere Maschinen eingesetzt und eine eigene Stromversorgung mit Hilfe eines Generators aufgebaut. Neue Hygienevorschriften veranlassen den Betrieb zur Einrichtung moderner Waschräume und Toilettenanlagen sowie staubfreier Lagerräume für die Kleidung der Arbeitnehmer.  

Der Betrieb der neuen Gießerei verläuft nicht ohne Hindernisse, aber bis 1911 hatte sich das Reinvermögen von Adolph Römheld von 1800 Mark bei Geschäftsbeginn auf 52.000 Mark erhöht. Sein jährlicher Umsatz wird zu der Zeit auf 70.000 bis 80.000 Mark beziffert. Auf der Hütte arbeiten durchschnittlich 32 bis 37 Mitarbeiter.

Über eine evtl. Kriegsproduktion während des Ersten Weltkrieges liegen keine Informationen vor. Die schlechte wirtschaftliche Lage nach dem Krieg zwingt die Römheld Brüder zu einer neuen Firmenkonstruktion. 1924 gründen Adolph und sein Sohn Philipp Römheld, sein Schwager Eugen Jäger sowie weitere Familienmitglieder eine GmbH mit einem Stammkapital von 70.000 Mark, wovon jeder Gesellschafter 10.000 Mark einbringt. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Eisengießerei und Eisenbauwerkstätte sowie die Fabrikation und der Handel von Gegenständen aus Eisen und anderen Materialien. Adolph Römheld bringt sein bisheriges Unternehmen mit in die neue GmbH ein. 1928 wird der Verein für chemische Industrie aufgelöst.

Im Selben Jahr stirbt Adolph Römheld und sein Sohn Philipp übernimmt als diplomierter Maschinenbauer das Unternehmen. Für das neue Unternehmen sind die Gebäude auf der Friedrichshütte nicht mehr geeignet, und da die Reichsbahn einen hohen Betrag für einen Schienenanschluss fordert, baut Philipp Römheld 1928 in Laubach eine neue Gießerei. (Später Fa. Helwig, dann Eisengießerei Fritz Winter). Auf der Schmelz verbleiben zunächst nur noch die Schlosserei und die Dreherei.  

Mit dieser Funktion und mit kleineren Aufträgen hält sich was Werk bis nach dem Zweiten Weltkrieg mehr schlecht als recht über Wasser. Dann aber wagen Philipp Römheld und seine Nachkommen einen Neuanfang. 1948 wird die „Maschinenfabrik und Eisengießerei Adolph Römheld KG“ gegründet. Die Gießerei und die Maschinenfabrik werden neu ausgebaut. Das Unternehmen spezialisiert sich auf die Herstellung von Spannsystemen und komplexen Gussteilen aus Grau- und Sphäroguss.  1963 wird die „Spann- und Ausrüstungs GmbH“ gegründet und 1967 eine neue Maschinenfabrik in Ruppertsburg errichtet. Durch rasche Einführung modernster Fertigungstechniken und Erweiterung der Geschäftsfelder floriert das Unternehmen schnell. Im Jahre 2007 konnte die Gießerei das 300-jährige Jubiläum begehen. Heute gehört die „Römheld GmbH Friedrichshütte“ mit über 300 Mitarbeitern zu einer mittelständigen Unternehmensgruppe mit mehreren Niederlassungen und zu einem „hidden chamion“ dieser Branche in Hessen. Es gilt als weltweit als ein marktführendes Unternehmen auf dem Gebiet der hydraulischen Spanntechnik für die spanende Fertigungstechnik.

 

Heutige Situation

Der Industrieweiler Friedrichshütte besteht aus einer Ansammlung von Gebäuden, die schon auf der Lageskizze von 1880 verzeichnet sind. Im Mittelpunkt steht das ehemalige Herrenhaus von Buderus, ein zweigeschossiger Bau mit ausgebautem Dachgeschoss. (Friedrichshütte 11) von 1808 (mit gusseisernem Treppengeländer) und ein eingeschossiges Wohnhaus (Friedrichshütte 15), das zu dem ältesten Gebäude der Friedrichshütte gehört. Das Gebäude wird heute als Verwaltung benutzt. Vorhanden sind auch noch das „Rambo“ oder „Uhrenhaus“ und das ehemalige Wirtshaus, heute Haus Stock. Beide werden als Wohnhaus benutzt und sind demzufolge leicht verändert und modernen Wohngewohnheiten angepasst worden.

Daneben befinden sich weitere als Wohnhaus genutzte Gebäude. Vor allem aber existieren im hinteren Bereich der ehemaligen Gießerei noch flache, alte Lager- und Produktionsgebäude, die unmittelbar an die neue Produktionshalle anschließen, die sich rechts hinter dem Verwaltungsgebäude befindet.  

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Gebäude, die teils privat, teils landwirtschaftlich als Scheune, teils betrieblich genutzt werden. Insgesamt bestehen noch 8 Gebäude aus der Zeit von 1880. Die Gesamtanlage der Friedrichshütte steht aus technischen und geschichtlichen Gründen unter Denkmalschutz. Auch die beiden Gebäude Friedrichshütte 11 und 15 sind aus geschichtlichen und städtebaulichen bzw. geschichtlichen und künstlerischen Gründen geschützt.

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