top of page

Justushütte bei Gladenbach

Geschichte

Justus Kilian aus Biedenkopf war ein sehr agiler und unternehmens-innovativer Eisenhüttenmann.

1831 hatte er bereits von der Großherzoglich-Hessischen Regierung für die Provinz Oberhessen die Erlaubnis, „an der Lahn bei Dautphe eine Eisenschmelze oder Hochofen, einen Stabhammer mit zwei Feuern und einem Zainhammer mit einem Feuer anzulegen“. Diese – nach seinem Namen benannte „Kilianshütte“ hatte er mit allem ausgestattet, was ein modernes Eisenhüttenwerk haben konnte. Im Jahre 1837 gründete er eine zweite Hütte in Weidenhausen am Mühlgraben unterhalb der Neumühle. Nach seinem Vornamen nannte er sie „Justushütte.

Kilian ließ einen Holzkohle-Hochofen errichten, der 1840 angeblasen wurde. Das Eisenerz bezog er aus Gruben bei Weidenhausen, Dernbach, Rachelshausen und Römershausen, am meisten jedoch aus der Grube „Neuschweden“, die ihm 1837 verliehen wurde. Ihr Erz hatte aber nur einen Fe-Gehalt von ca. 30%, lieferte aber bis zu ihrer Schließung ca. 14.000 t Eisenerz. Die Grube war bald erschöpft, und Kilian musste Erz aus dem Schelderwald zukaufen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gingen immer mehr Hütten, die verkehrstechnisch günstig zum Ruhrgebiet lagen dazu über, Koks statt Holzkohle für die Heizung der Hochöfen und sonstiger Feuer zu verwenden. Der Grund lag u.a. in den enorm angezogenen Preisen für Holzkohle, deren Bezug bald staatlich reguliert werden musste.  Die Ludwigs-, Wilhelms-, Carls- und Justushütte versuchten durch eine gemeinsame Eingabe an das großherzogliche Finanzministerium in Darmstadt sich gegen die unlauteren Holzgeschäfte und Preistreibereien der Konkurrenz zu wehren und bat um Unterstützung des Ministeriums. Die Kohlebeschaffung war geradezu zu einem Mittel des unlauteren Wettbewerbs geworden, in dem nicht mehr die Leistung, sondern List, Macht und Gewalt den Ausschlag gaben.

 

Der Verkauf beider Hütten

 

Weder die Kilianshütte in Dautphetal noch die Justushütte in Weidenhausen konnten dieser Umstellung folgen, da für sie noch keine Verkehrsverbindung zum Ruhrgebiet existierten. Kilian hatte durch die hohen Investitionen, die er auf den beiden Hütten gemacht hatte, seine finanziellen Mittel erschöpft und hatte bald Liquiditätsprobleme. Alle Versuche von Kilian bis hin zu Eingaben an die Staatsregierung mit den besten Gutachten konnte die Großherzoglich-Hessische Staatsregierung nicht dazu bewegen, ihm finanziell beizustehen. Auch mehrere Versuche, die Hütten und Gruben in eine AG umzuwandeln, scheiterten, so dass Kilian während einer Zeit der nachlassenden Nachfrage nach Eisen gezwungen war, beide Hütten zu verkaufen. Die Kilianshütte wurde 1852 an Graf Wilhelm von Reichenbach-Lessonitz verkauft und hieß ab der Zeit Wilhelmshütte. Im selben Jahr wurde auch die Justushütte an den Unternehmer Georg Friedrich Schulz verkauft.

Die Justushütte behielt jedoch zunächst noch den Hochofen und produzierte mit Holzkohleheizung weiterhin Roheisen. Bei vielen Käufern galt das Holzkohleroheisen als wertvoller und vor allem für die Hufeisenverwendung als sehr viel besser geeignet. Das Holzkohleroheisen des nassauer Gebietes war von ausgezeichneter Qualität, die diesem Erzeugnis einen weitreichenden Ruf und im allgemein auch trotzt höherer Preise einen guten Absatz fanden.

 

Das Ende des Hüttenbetriebes

 

1883 musste jedoch der Hochofen, der einzige im Salzbödetal, ausgeblasen werden. Die Hütte bezog von der Zeit an ihr Roheisen von anderen Hütten und stellte sich mit Hilfe von Kupolöfen auf eine reine Eisengießerei um. Damit konnten problemlos eine große Anzahl von Artikeln hergestellt werden, alles, was durch Eisenguss produzierbar war, z.B. Geländer, Zäune, Gitter, Türbeschläge, Grabkreuze, Säulen, Veranden, Balkone, Schwengelpumpen für Wasser, Maschinenteile und sonstige Artikel für Haus und Hof. Entsprechend der Tradition im Lahn-Dill-Gebiet konzentrierte die Justushütte später auf die Herstellung von Öfen, Herde und sonstige Heizgeräte.

In der eher kargen landwirtschaftlichen Lahn-Dill-Region strebten die Menschen immer nach einer Anstellung bei einem der vielen Hütten. So bot die Justushütte vielen Einwohnern ein zusätzliches Einkommen als gewerbliche Arbeitnehmer. Weidenhausen entwickelte sich daher zu einem halb industriell-gewerblich geprägten Ort mit einem großen Anteil an Nebenerwerbs-Landwirtschaft.

Nach Verkauf der Hütte an den Kaufmann Schulz, führte dessen Sohn Konrad und sein Schwiegersohn Wehrenbold, dessen Familie im benachbarten Gladenbach später die Aurorahütte betrieb, die Justushütte weiter.

Wehrenbold schied jedoch 1875 aus der Justushütte aus, um sich voll der Aurorahütte zu widmen. Daraufhin wurde die Justushütte in eine GmbH umgewandelt. Die Hütte konnte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts gut entwickeln, da mit der Fertigstellung der Eisenbahn von Marburg nach Herborn im Jahre 1905 die Justushütte Zugang zu zwei der wichtigsten Eisenbahnstrecken in Deutschland erhielt. Der Bahnhof von Weidenhausen liegt nahe dem Hüttengelände, so dass die Justushütte einen direkten Gleisanschluss erhielt.

Mit der Konzentration auf den Ofenbau wurde eine Emaillieranlage erforderlich. Sie wurde im Jahre 1906 in Betrieb genommen.

Im Kriegsjahr 1941 übernahm das Unternehmen der Gießener Maschinenfabrik Heyligenstaedt die Justushütte. Bei Kriegsende waren ca. 200 Mitarbeiter in der Firma beschäftigt, darunter auch viele „Fremdarbeiter“. 1982 wurde mit dem Guss von Werkzeugen begonnen und der Werkzeugmaschinenguss und Formbau in das Produktionsprogramm aufgenommen.

In den 1980er Jahren geriet die Firma Heyligenstaedt in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste ihr Unternehmen aufgeben. Es gelang jedoch, die Justushütte an den Allendorfer Heizungsbauer Viessmann zu verkaufen. Die Justushütte hatte in den 1990er Jahren bei ihrem Konkurs ca. 460 Mitarbeiter. Die Hütte produzierte jedoch weiterhin Kundenguss für verschiedene Auftraggeber. Nach Konkurs der Frank’schen Eisenwerke von der Adolfshütte in Dillenburg wurde eine beschränkte Produktion der äußerst populären ORANIER- Öfen seit 2006 auf der Justushütte weiterhin produziert.

Die Justushütte wurde im Jahre 2010 jedoch aus Rentabilitationsgründen von der Firma Viessmann aufgegeben. Das Oranier-Werk wechselte nach Haiger-Sechshelden in ein verkehrsmäßig günstigeres Areal. Die Justushütte ist seit dieser Zeit ein Gewerbepark und steht teilweise zum Verkauf.

 

 

bottom of page