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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
MINOX GmbH (Heuchelheim, Wetzlar)
Unter dem Namen MINOX wurde die kleinste Kamera des Erfinders Walter Zapp verkauft, die als "Spionagekamera" weltberühmt wurde und Kultstatus erlangte. Vergoldete Ausführungen erhielten gelegentlich Staatsgäste. Auch die sehr kleine Kleinbildkamera MINOX 35 erlangte, nicht zuletzt wegen vieler Designpreise, Kultstatus. Heute produziert MINOX Ferngläser und Zielfernrohre für Jagd- und Sportgewehre.
In Lettland, einem Land, in dem es weder eine nennenswerte optische und feinmechanische Industrie gibt, gelang es Walter Zapp aus Riga nach seiner Lehrzeit in Tallin (Reval) einen neuartigen Fotoapparat zu entwickeln. Es war eine winzig kleine Taschenkamera, die in jeder Westentasche Platz fand.
Auf die Idee brachte ihn Richard Jürgens, für den Zapp ein Vergrößerungsgerät baute. 1932 gründeten sie eine gemeinsame Firma, in der Zapp die Ideen, Jürgens das Kapital einbrachte. Doch für eine so kleine Kamera brauchte man zusätzliches Kapital. Ein befreundeter Leica-Fotograf, Nixi Nylander, half ihnen sowohl finanziell als auch bei der Entwicklung von Verschlüssen und Entfernungsmessern. Da er sich in der Foto-Branche gut auskannte, wusste er auch Patentverletzungen zu vermeiden.
Walter Zapp fertigte ein Holzmodell von 12,5 x 28 x 7,5 mm an, so winzig sollte die Kamera werden. Wichtig für ihn war, dass das Fotografieren so einfach wie möglich seien sollte, also ohne Entfernung, Brennweite usw. einzustellen.
1935 war die erste Zeichnung fertig und sein Geldgeber war bereit, mit ihm diesen völlig neuen Weg einer Mini-Kleinbildkamera zu gehen. Bei der Namenssuche wurde aus Mini nach einigen Überlegungen der Name MINOX geboren, eine Idee von Nixi Nylander. Die größte Schwierigkeit war, ein geeignetes Objektiv zu beschaffen, denn es musste für diese Kamera exakt angefertigt werden. Der Feinoptiker Karl Indus aus Reval konnte zwar Linsen schleifen, sie aber nicht berechnen. Hierzu beauftragte man Prof. Schulz in Wien, ein Experte für die Berechnung von Linsenoptik. Ein Mechaniker fertigte ihnen in mühevoller Kleinarbeit mit grobem Werkzeug die Mechanik, so dass das erste Modell 1936 endlich fertig war. Die ersten Aufnahmen überzeugten alle und man hätte sehr zufrieden seien können. Aber Jürgens ging das Geld aus, so dass ein kapitalträchtiges Unternehmen für die Serienherstellung gefunden werden musste.
Für die Serienfertigung mussten einige Dinge geändert werden, so wurde z.B. das Negativformat von ursprünglich 6,5 x 9 mm auf 8x11 mm vergrößert, was immerhin ein um 50% vergrößertes Filmformat ergab. Da sich zur Serienfertigung kein namhafter Fotohersteller fand, übernahm das das staatseigene Unternehmen VEF, das Radio- und elektrische Geräte herstellte.
Zum Eintrag des Patentes wählte man zunächst das Patentamt in Schweden, da es sehr genau prüfte. Das erleichterte die Lizenzerteilung in den übrigen Ländern.
Im April 1938 kamen die ersten Exemplare zum Verkauf und es gab viel Skepsis, ob die Kamera am Markt Käufer findet. Der erste Kunde war Mitarbeiter eines diplomatischen Dienstes und schnell war der Begriff „Spionagekamera“ geboren. An diese Idee hatte Zapp nie gedacht, aber die Zeit verlangte danach. Der Verkaufserfolg war so groß, so dass Auslandsvertretungen zunächst in den USA und der Schweiz, dann in weiteren Ländern eröffnet wurden. Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, also etwa 1 ½ später, waren bereits 17.000 MINOX verkauft worden.
1940 besetzten die Russen Lettland und die Kamera erhielt die Gravur „Made in USSR“.
Walter Zapp sollte in ein russisches Forschungsinstitut „verlegt“ werden, wobei ihm unklar war, was darunter zu verstehen war. Mit seinem Holzmodell und einer der ersten MINOX floh er nach Deutschland. Jetzt waren viele Kamerahersteller an die Fertigung seiner Kamera interessiert, aber die Umstellung auf Kriegsproduktion verhinderte eine Konkretisierung der Pläne.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Lettland wurde die VEF beschlagnahmt und der AEG angegliedert. Walter Zapp erhielt eine Anstellung in einem Forschungsteam der AEG im Westen von Berlin, der nach dem Einmarsch der Alliierten amerikanische Zone wurde. Zapp musste unter Androhung der Todesstrafe seine Kamera abliefern. Er fand jedoch einen Offizier im Hauptquartier, der Verständnis für seine Pläne hatte und ihm die Kamera wieder aushändigte.
Im der mittelhessische Stadt Wetzlar, dem Optikzentrum Deutschlands hatte Richard Jürgens eine Anstellung bei Leitz gefunden. Im Herbst kam auch Walter Zapp nach Wetzlar und beide gründeten sofort die „MINOX GmbH Wetzlar“, noch nicht wissend, wie es weitergehen sollte, denn sie mussten bei „Null“ anfangen.
Die Amerikaner erwiesen sich äußerst hilfreich bei der Beschaffung von Maschinen und Werkzeug, so dass in der Bahnhofstraße eine kleine Werkstatt eingerichtet werden konnte. Zapp folgten einige seiner ehemaligen Mitarbeiter, so dass der Neuanfang begonnen werden konnte. Zur Objektivberechnung konnte er den Fachmann Arthur Seibert von Leitz abwerben, denn für ein verbessertes Modell der Kamera ist das Objektiv das entscheidende Bauteil. Die Kamera wurde in weiteren Teilen verbessert und nach einem Jahr konnte die Nachkriegsproduktion beginnen. Als Kapitalgeber fand sich der Zigarrenkonzern Rinn & Cloos (R&C) aus Heuchelheim bei Gießen, der eine Quelle für Devisen suchte, um Tabak einzukaufen. Er wusste von dem Erfolg der MINOX u.a. in den USA und so konnte bereits 1948 die neue Produktionsstätte in Heuchelheim bezogen werden.
Zwei Jahre später kam es zu Differenzen zwischen den Geschäftspartnern und Walter Zapp verließ das Unternehmen.
1956 begann MINOX mit einer für damalige Verhältnisse revolutionierenden Mikrofilm-Archivierung, wofür man gleich die Deutsche Bahn und die Deutsche Post als Kunden gewann.
Die MINOX war so erfolgreich, dass das Werk 1951 bereits 180 und 1955 gar 560 Mitarbeiter hatte.
1958 kam die MINOX B mit integriertem Belichtungsmesser auf den Markt. Sie wurde 14 Jahre lang produziert. 1961 wurde der Sitz der MINOX GmbH nach Heuchelheim verlegt. Die Belegschaft betrug inzwischen 1000 Mitarbeiter. Die MINOX wurde weiter verbessert, bekam eine elektronische Belichtungsautomatik und eine Nachführbelichtungsmessung.
Ab 1972 wurden die Pocket-Kameras populär und überschwemmten in billiger Kunststoffausführung aus Japan den Markt. MINOX antwortete zunächst mit einem ähnlichen Produkt, der MINOX 110 S, stellte aber 1974 mit der MINOX 35 seine erste Kleinbildkamera mit einem 2,8/35-Objektiv vor. Mit dem Öffnen einer Frontklappe kam das Objektiv heraus, nach dem Schließen war die Kamera kaum größer als eine Zigarettenschachtel. Obwohl es viele Kleinbildkameras gab, wurde die MINOX 35 ein Verkaufsschlager. Das sehr gelungene Design, die Leichtigkeit und die Bildqualität garantierten den Verkaufserfolg. Von dieser Kamera wurden bis 1992 elf unterschiedliche, jeweils verbesserte Modelle gefertigt. Mit der CD 140 wurde auch ein Billigprodukt entwickelt, dass sich gegen die japanische Konkurrenz jedoch nicht behaupten konnte. Diese wurde immer größer und führten zu einem erheblichem Kostendruck. Die Japaner glänzten mit hochwertiger Elektronik und Automatik, so dass der MINOX Mitte der 80ziger Jahre hohe Verluste machte.
1988 fand man in dem Niederländer C. Robert Corduwener, der aus der Computerbranche kam, einen neuen Teilhaber. Er konnte die erhoffte Wende nicht herbeiführen, so dass MINOX im Januar 1989 den Konkurs anmelden musste. Die Konkursverwalter versuchten das Unternehmen zu erhalten und holten Walter Zapp wieder zurück. Zapp entwickelte das Taschenteleskop T 8 und brachte 1992 die mechanisch gesteuerte MINOX AX auf den Markt. Den Konkursverwaltern gelang es, die erstarkte MINOX GmbH mit Leica zusammenzufügen, so dass MINOX 1997 wieder nach Wetzlar zog. Neben Verbesserung der Kameras entwickelte MINOX eine Reihe hochwertiger Ferngläser, die Design-Preise erhielten.
2001 brachte MINOX mit der DC 1311 die erste Digitalkamera auf den Markt. Der Unternehmer Thorsten Kortemeier, Gründer der German Sport Optics GmbH mit Sitz in Wetzlar, brachte die Blaser Group in die MINOX GmbH ein und ließ Zielfernrohre für Jagdwaffen entwickeln. Wolfgang Venzl wurde 2019 Geschäftsführer. MINOX fertigt nun hauptsächlich Ferngläser und Zielfernrohre.
Inzwischen wurde die Produktion in das Stammwerk der Blaser Group nach Isny im Allgäu verlegt.
In Wetzlar verblieb ein Kaufbüro.
Der Begründer des Unternehmens Walter Zapp starb 2003 in der Schweiz. In Wetzlar wurde eine Straße ihm zu Ehren benannt.
Seine eindrucksvolle Lebensgeschichte mit vielen Originalaufnahmen zeigt das YouTube-video.