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Maschinenfabrik und Eisengießerei Doering - Sinn/Dill

 

Maschinenfabrik und Eisengießerei Doering – Sinn (LDK)

 

Der ‚Sinner Hof‘, auf dem sich später das Betriebsgelände der DOERING GmbH entstand, wurde 1511 vom Grafen Johann V. von Nassau von einer Adelsfamilie aus Haiger erworben. Als „fürstlicher Pachthof“ betrieben ihn bis 1822 die Grafen von Nassau/Dillenburg. 1822 wurde der „Sinner Hof“, ein umfangreicher Gebäudekomplex zum Verkauf angeboten. Die Wiesen und Äcker wurden verpachtet.

1842 kauft der Herborner Schultheiß Johann Henrich Doering (1793-1866) und seine Ehefrau Anna Elisabeth (geb. Koch 1799-1879) einen Teil des „Sinner Hofes“ für 3000 fl. Das Geld hatten die Eheleute vom Herzoglich-Nassauischen Hospitalfond als eine Art Hypothek gegen Verpfändung der ihnen gehörigen Gebäuden in Sinn erhalten.

Am 28. Mai 1858 erbat ihr 21jährige Sohn Albert Doering die Landesregierung um Erlaubnis, in einem Gebäude dieses Anwesens eine Maschinenwerkstätte errichten zu dürfen. Diese wurde unter der Beachtung von Bau- und Sicherheitsvorschriften erteilt. Zunächst diente eine alte Schmiede als Arbeitsplatz, später kam ein Schuppen hinzu.

Sich in ein solches Wagnis zu stürzen war zu jener Zeit an der Lahn und im Dilltal üblich und erfolgversprechend, stand doch fast in jedem größeren Ort eine Eisenhütte. Die Gegend war reich an Eisen- und Buntmetallerzen und die Industrialisierung explodierte förmlich.

1859 fand die offizielle Eröffnung statt. In einer Anzeige veröffentlichte Doering sein sehr umfangreiches Produktionsprogramm. Albert Doering galt als genialer Tüftler. Er reparierte nicht nur Maschinen, sondern baut auch welche nach Kundenwunsch, z.B. Dampfmaschinen unterschiedlichster Art, Maschinen für den Bergbau und sogar Feuerspritzen und Pumpen u.v.a.m.

Nur zwei Jahre später trat 1861 sein Schwager, Johann Heinrich Hoffmann als Teilhaber in das Unternehmen ein, das nun unter dem Namen DOERING & HOFFMANN firmiert. Bereits 1860 erhielt er die Genehmigung zum Aufstellen einer Dampfmühle in seinem Maschinengebäude.

1861 verkaufte Vater Doering seinem Sohn Albert auch noch die Reste seiner Besitzungen am „Sinner Hof“. Nach weiteren Betriebserweiterungen wurden 1867 bereits 150.000 Pfund Gusswaren im Wert von 5.250 fl. hergestellt. Doering & Hoffmann beschäftigten zu dieser Zeit 12 Arbeiter in der Gießerei und 16 in der Maschinenwerkstatt. Auf eine Nachfrage des Königlichen Amtes zu Herborn teilten DOERING & HOFFMANN mit, dass alle Gusswaren durch Steinkohlekoks umgeschmolzen worden sind. Hintergrund der Frage war, dass für Hochöfen, Gruben usw. zu viel Holz eingeschlagen werden musste, denn das Erschmelzen mittels Steinkohlekoks war im Lahn-Dill-Gebiet noch nicht üblich.

1868 betrug die Produktion bereits auf 300.000 Pfund mit einem Wert von 8.400 Reichstaler. Die Mitarbeiterzahl hatte sich schon auf 45 Arbeiter erhöht, 1871 die Produktion gar 1.600 Zentner mit einem Geldwert von 5.600 Thaler. Die Gusswaren wurden in der Maschinenfabrik weiterverarbeitet. Dafür standen zwei Kupolöfen zur Verfügung.

1874 kaufte Doering & Hoffmann vom Fiskus Domäneland zur Errichtung einer Straße zum Bahnhof, der an der seit 1862 fertiggestellten Deuz-Gießener Eisenbahnstrecke lag. Johann Heinrich Hoffmann, selbst ein begnadeter Konstrukteur, schied 1875 aus der Firma aus, um sich in Herborn mit einem eigenen Unternehmen zur Herstellung von Pumpen selbständig zu machen.

Damit auswärtige Arbeiter das Firmengelände schnelle erreichen können, ließ Döring einen Steg über die Dill bauen. Im Werk entstand mit der „kleinen Gießerei“ der erste Neubau. Nachdem die Gemeinden begannen, Wasserversorgung und Kanalisation zu bauen, wurden Wasserleitungsrohre, Armaturen und Wasserpumpen produziert. Doering lieferte der Gemeinde Sinn das Wasserversorgungssystem. Im Werk wurde mittels einer Dynamomaschine Strom erzeugt. Damit erhielten die Doering-Werke die erste elektrische Beleuchtung im weiten Umkreis. Für die zunehmende Arbeiterzahl ließ Doering zwei Arbeiterwohnungen errichten. Das war seinerzeit Usus.

Am 25. Juli 1887 wurde Albrecht Doering vom Kaiserlichen Patentamt ein Patent zur Entleerung von Pumpen verliehen. Doering zeigte sich weiter innovativ. Er entwickelte für den nahen Bergbau Spezialmaschinen und auch eine Baumrodemaschine. Vor allem, um mit geselligen Veranstaltungen Arbeiter an sich zu binden, wurde auf dem Fabrikgelände ein Gasthaus, der „Sinner Hof“ errichtet.

1893 erwarb Doering von seinem Schwiegersohn die „Wilhelmswalze“, ein kleines Turbinenwerk bei Sinn, das über einen Kanal von der Dill das Wasser für den Antrieb der Generatoren bezog. Er nutzte sie als Energiequelle für seinen Betrieb und gab den restlichen Strom an die Gemeinde Sinn ab.

1903 hatte Doering die finanziellen Mittel und baute sich in der Wetzlarer Straße eine Villa. Leider konnte er sein neues Heim nur wenig nutzen, denn Albrecht Doering starb am 15. Januar 1905 im Alter von 68 Jahren. Seine Enkel Albert und Carl übernahmen das Werk. Albert übernahm die kaufmännische, Carl die technische Leitung des Betriebes.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges traten Veränderungen ein. Carl wurde zum Wehrdienst eingezogen und der Dipl.-Ing. Brenner wurde technischer Leiter des Betriebes. Das Werk muss, wie alle Metallbetriebe, Rüstungsgüter herstellen. Die Doering-Werke produzierten Granaten und wieder Pumpen.

Mit Ende des Krieges stellte Doering zunächst recht gut auf Friedenwirtschaft um.  Aber die anschließende Geldinflation brachte große Probleme: Es mussten Bankkredite zu hohen Zinsen aufgenommen werden und die Hauptkunden BORSIG in Berlin und das Dillenburger Walz- und Puddlingswerk HERWIG & SÖHNE gingen in Konkurs und erschütterten damit die Finanzlage des Werkes. Das Werk musste zum Verkauf ausgeschrieben werden.

Ein Zufall kam zur Hilfe: Bergwerksdirektor und Vizekonsul Friedrich Wilhelm Cloos aus Spanien und seine Ehefrau Anna aus Dillenburg suchen eine Geldanlage. Da ihr Sohn Fritz Maschinenbau studiert hat, entschieden sie sich, 77,4% von DOERING zu erwerben. Carl Doering verblieben 22,6% der Anteile. Mit einer Altersrente stieg er aus dem Betrieb aus. Dipl.-Ing. Brenner behielt weiterhin die technische Leitung. Ein Vergleich mit den Schuldnern sicherte die Fortführung des Betriebes.

Dipl.-Ing. Ernst Cloos übernahm die Abwicklung aller Formalitäten mit einer zu diesem Zweck geschaffenen Betriebsgesellschaft. Ernst Cloos hatte in Madrid das Abitur gemacht und auch dort Bergbau studiert, setzte dieses Studium dann in Berlin fort.

1936 waren alle Formalitäten erledigt. Das Unternehmen behielt den gut eingeführten Traditionsnamen und firmierte unter ALBERT DOERING GmbH. Heinrich Henkel wurde Geschäftsführer, schied aber 1937 aus, nachdem Dr. Fritz Cloos sein Maschinenbaustudium beendet hatte und die Nachfolge in der Geschäftsführung antrat.

Nach dem frühen Tode ihrer Mutter erbten jeder ihrer fünf Kinder 7,5% der Firmenanteile.

Ernst Cloos erfand als Bergreferendar eine Wendelrutsche aus Hartguss für den schonenden Transport der Kohle unter Tage und erhielt dafür ein Patent. Er nahm neben seiner Tätigkeit für das Unternehmen das Studium in Breslau auf und promovierte erfolgreich mit einer mathematischen Arbeit über den Steinkohlebergbau. Erfolgreich führte er dann das Unternehmen wieder an den alten Erfolgskurs heran.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Fritz Cloos zum Kriegsdienst eingezogen und fiel in den letzten Kriegstagen. Dr. Ernst Cloos wurde im Schlesischem Bergbau dienstverpflichtet und führte von dort aus die Firma in Sinn, die – vermutlich wie im Ersten Weltkrieg- Rüstungsgüter herstellen musste und sie mit der Produktion der Wendelrutsche die Existenz sicherte. (genaue Angaben liegen nicht vor).

1945 wurde der Betrieb von den Amerikanern kurzzeitig stillgelegt und dann von Dr. Ernst Cloos und seinem Bruder Dr. med. Amando Cloos wiederaufgebaut. Ende 1956 wurden bereits wieder 112 Arbeiter beschäftigt.

Im September 1949 starb Friedrich Wilhelm Cloos in seiner spanischen Heimat.

Nach dem Krieg war mit dem rückläufigen Bergbau eine Neuausrichtung erforderlich. Die Währungsreform brachte zunächst einen Rückschlag, aber mit der Aufnahme von Fräsmaschinen in das Produktionsprogramm ging es wieder aufwärts. Im hundertsten Jahr seines Bestehens beschäftigte die ALBERT DOERING GmbH 1958 insgesamt 350 Mitarbeiter und war damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Dillgebiet. Viele Mitarbeiter waren Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten.

Die Krise in den 60er Jahren im Steinkohlebergbau traf auch DOERING hart. Wendelrutschen, Fräsmaschinen und andere Produkte für den Bergbau konnten bei sinkender Nachfrage nicht mehr kostendeckend produziert werden. Durch Zufall lernte Dr. Ernst Cloos in Schweden die Bedeutung der Cylpebs Mahlkörper des schwedischen Lizenzinhabers kennen und führte sie nach einem Lizenzvertrag in seinem Betrieb ein. Mit der Produktion von Mahlkörpern (Cylpebs) zum Zerkleinern von Erzen und anderen Mineralien gewann DOERING, nachdem er Verfahren und Herstellung auf der Grundlage seiner früheren Erkenntnisse erheblich verbessert hatte, einen Stamm an in- und ausländischen Kunden. Um den Bedarf für den Export zu decken, erwarb DOERING 1969 das Eisenwerk Holzhausen bei Homberg/Efze.

1972 starb Dr. med. Armando Cloos. Seine Anteile erbte die erst neunjährige Tochter Christiane. Zum zweiten Geschäftsführer wurde Dr. Fritz Menkel bestellt.

Die 80er Jahre standen im Zeichen dieser Weiterentwicklungen. Schließlich trat der schwedische Lizenzinhaber EKELÖFT seine Lizenz an DOERING ab. DOERING schloss Lizenzabkommen mit Unternehmen in der Türkei, in Brasilien, in Australien und Südafrika ab.

Gussteile für den Werkzeug- und Maschinenbau nach dem Vollformverfahren gewannen Ende der 80er Jahre zunehmend an Bedeutung. DOERING baute diesen Bereich aus und konnte damit fast alle Fahrzeughersteller in West- und Nordeuropa als Kunden gewinnen. Aus dem Pumpenprogramm wurden vor allem Fußventile als Rückflussverhinderer für Pumpenwerke im Programm behalten.

Das Unternehmen wurde 1985 in die DOERING Beteiligungsgesellschaft mbH umgewandelt und die DOERING GmbH & Co. KG gegründet. 1991 schied Dr. jur. Fritz Meckel aus der Geschäftsleitung aus. Sein Nachfolger wurde Dieter Horz. 1993 wurde auf Grund der vielen ausländischen Aktivitäten die DOERING International gegründet, die alle Im- und Exporte zusammenfasste.

Entsprechend den zeitlichen Anforderungen wurden Qualitätsmanagementsysteme nach DIN- und EN-Norm eingeführt und die üblichen Audits durchgeführt.

1998 trat nach Abschluss seines Studiums Dipl.-Ing. (FH) Bernhard Cloos in die Unternehmensleitung ein. Die ersten CNC-Fräsmaschinen und der erste CAD-Arbeitsplatz wurden eingerichtet. Der Produktionsschwerpunkt lag auf Modellen aus Schaumstoff für das Vollformverfahren. Im Jahre folgt Bernhard Cloos Dieter Harz als Geschäftsführer. Die Mitarbeiterzahl pendelte sich bei 150 ein, da viele Fertigungsschritte nun automatisiert worden waren.

Größere Investitionen folgte 2001 mit der Vergrößerung der Gießerei und dem Bau einer neuen Ausleerstation und Strahlkabine sowie der Erweiterung der Formsandaufbereitung. Außerdem wurde ein neuer Modellbau mit CNC-Fräsmaschine in Betrieb genommen.

Im Jahre 2004 verließ Ulrich Cloos nach 36 Jahren Betriebszugehörigkeit mit 65 Jahren das Unternehmen.

Unternehmenstechnisch firmierte das Unternehmen nun wieder unter DOERING GmbH. Es folgte 2007 ein weiterer betrieblicher Ausbau mit modernsten Anlagen.

Im Mai 2008 wurde das 150jährige Bestehen des Unternehmens mit einer Festveranstaltung und einem Tag der offenen Tür gefeiert.

Doering schien einer sicheren Zukunft entgegen zu sehen.

2019 folgte dann der große Schlag: DOERING stellte beim Amtsgericht Wetzlar den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 50 Mitarbeiter wurden entlassen. Das Unternehmen konnte aber in Eigenverwaltung unter dem Geschäftsführer Steffen Liebich weiter produzieren. Nach einem Verlust im Jahre 2018 von 600.000 EUR und einem prognostizierten Verlust im Jahre 2019 von 1,7 Mio. EUR hatte Doering die Einleitung eines „Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung“ beantragt. Für dieses Verfahren gibt es strenge Regeln auf Erfolg der Sanierung des Unternehmens, die offensichtlich gegeben waren. Es bleibt abzuwarten, wie die Verfahren zum Erfolg für das Sinner Unternehmen erfolgreich seien wird.

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