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Geschichte von Industriebetrieben in Mittelhessen-
Eine Webseite des "Mittelhessen e.V". des RP Gießen und des "Netzwerkes Industriekultur Mittelhessen"
Isabellenhütte - Dillenburg
Geschichte der Isabellenhütte
Die Isabellenhütte in Dillenburg spielt in der Wirtschaftsgeschichte Mittelhessens eine besondere Rolle. Nicht nur, dass sie seit über 350 Jahren in der Hand der Familie Heusler ist, sondern weil sie den Strukturwandel der Montanindustrie im Lahn-Dill Revier besnders intelligent und innovativ überstand.
Die Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG in Dillenburg ist ein weltweit führender Hersteller von niederohmigen Präzisionswiderständen und Sensormodulen für die Automobil-, Elektrotechnik und Elektronik sowie Bauelemente für die Strommesstechnik für Hybrid- und Elektrofahr-zeuge. Zum Angebot gehören auch die Bauelemente der Präzisionsmesstechnik für die regenerative Energieerzeugung.
Ausgangsstoff dieser Komponenten, besonders der Präzisionswiderstände, sind Legierungen aus verschiedenen Buntmetallen, wie Kupfer, Nickel, Mangan und anderen Metallen. Diese wurden seit Jahrhunderten auf Grund der besonderen geologischen Strukturen im Lahn-Dill-Gebiet gewonnen. Da die Gruben aber nie besonders ergiebig waren und lange erschöpft sind, wird das Rohmaterial heute auf dem Markt erworben.
1727 ließ Fürst Christian von Nassau-Dillenburg am Nanzenbacher Weiher beim Laufenden Stein in Dillenburg eine Kupferhütte auf der Stelle errichten, auf der schon seit 1482 eine urkundlich erwähnte Kupferhütte stand. Sie wurde nach seiner Frau Isabella benannt. Seit über 500 Jahren wurden hier Kupfer und andere Buntmetalle erschmolzen und verarbeitet. Damit ist die Isabellenhütte eines der ältesten Industrie-betriebe in Hessen.
Die Hütte wurde als landesherrschaftliche Besitzung zunächst von fürstlichen Behörden, ab 1765 von der eigens dafür geschaffenen Berg- und Hüttenkommission verwaltet.
Von 1733 bis 1788 wurden 15.380 Zentner Kupfer aus den Gruben des Fürstentums gewonnen. Die Gruben-besitzer hatten die Schmelzkosten und einen „Hüttenzins“ zu entrichten. Das Kupfer wurde einmal im Jahr versteigert. Käufer waren teils Handels- und Bankhäuser aus Köln oder Frankfurt, teils weiterverarbeitende Werke. Pro Zentner wurden 51 Gulden erlöst. Dem kleinen Land flossen dadurch rund 785 000 Gulden und zusätzlich 30 000 Gulden Hüttenzins zu.
1827 ersteigerte die Witwe des Oberkammerrates Heusler die inzwischen mehrfach in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Hütte für sich und ihre acht Kinder. Die Leitung der Hütte übernahm ihr Sohn Carl Ludwig Heusler, der das Hüttenwesen in Marburg und Freiberg studiert hatte und seit 1833 Direktor des Bergamtes in Siegen und Leiter der Siegener Bergschule war. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Nachfolger aus der Familie Heusler ein Studium der Chemie oder einer ähnlichen Disziplin absolvierte.
Der Fund von Nickelerzen in benachbarten Gruben im Jahre 1841 war von einschneidender Bedeutung für die Weiterentwicklung der Hütte. Nickel diente als Korrosionsschutz für Eisenprodukte sowie zur Herstellung des äußerst begehrten Neusilbers, einer Kupfer-Nickel-Zink-Legierung, aus der Essbestecke, Schmuck und diverse andere Waren hergestellt wurden. Das Verfahren zur Gewinnung von Nickel war kompliziert. Heusler untersuchte es systematisch in einem eigenen Labor mit wissenschaftlicher Akribie. Es gelang ihm schließlich als erster im Europa, Nickel mit einem Reinheitsgrad bis zu 98% herzustellen.
1859 wurde eine 8-PS-Dampfmaschinenanlage zur Ergänzung der in regenarmen Zeiten unzureichend gewordenen Wasserkraft des Meerbachs, den Heusler bereits aus diesem Grund zu einem Weiher aufgestaut hatte, installiert.
Die Nachfrage nach Nickel war groß, so dass die Zahl der Arbeitskräfte von bisher 3-4 auf 20 Mann erhöht werden musste. Aber bereits 1869 waren die Nickelerzvorkommen erschöpft und die Produktion musste aufgegeben werden. Auch die Kupferproduktion musste 1873 aus Mangel an geeigneten Erzen aufgegeben werden. Die Firma stand vor dem Konkurs.
Mit der europaweit einzigartigen Gewinnungsmethode von Mangan und der Entwicklung von Manganver-bindungen, die im Lokomotivbau große Nachfrage fanden, führte Conrad Heusler das Unternehmen aus der Krise. Für die sog. Stehbolzen im Lokomotivbau lieferte die Isabellenhütte bis ins 20. Jahrhundert die dafür besonders geeignete Manganbronze. Bis 1930 wurde diese von dem Dillenburger Puddlings- und Walzwerk August Herwig Söhne in die benötigte Form ausgewalzt.
Die aufstrebende Elektroindustrie benötigte Materialien mit ganz neuen Eigenschaften zur präzisen Strom- und Spannungsmessung.
1889 entwickelte die Isabellenhütte in Zusammenarbeit mit der Physikalisch technischen Reichsanstalt die Legierung Manganin, das Ausgangsmaterial von Hochpräzisionswiderständen. Dieses Material setzte sich bald in der gesamten Elektroindustrie durch, so dass Conrad Heusler endlich alle Gläubiger befriedigen konnte. Manganin bildet bis heute die Basis des Produktionszweiges „passive elektrische Bauelemente“.
Andere Legierungen, wie die seewasserfeste Kupfer-Mangan-Legierung Resistin“, wurden bald überall im Schiffsbau eingesetzt.
1901 entdeckte Direktor Fritz Heusler Metalllegierungen mit besonderen elektrischen Eigenschaften. Sein Sohn Otto untersuchte die Phänomene der „Heuslerschen Legierungen“ im Zusammenwirken mit der Philipps-Universität in Marburg genauer und veröffentlichte die Erkenntnisse 1933. Einige Eigenschaften dieser Legierungen sind bis heute nicht exakt erforscht, gewinnen aber gerade (2019/20) durch neue Erkenntnisse (Nutzung als Thermogenerator, z.B. durch Nutzung der Abgaswärme zur Erzeugung von Strom im Kfz-Bereich) eine Wiederbelebung.
Die Herstellung von verschiedenartigen Metalllegierungen mit definierten Eigenschaften wurde zum Schwerpunkt des Unternehmens.
Nach dem Krieg profitierte die Isabellenhütte durch die Koreakrise (1950), als Kupfer Mangelware wurde. In einem von Otto Heusler entwickeltem Verfahren wurden aus kupferhaltigen Produkten große Mengen manganhaltiger Kupferlegierungen erschmolzen und abgesetzt. Der Exportanteil stieg auf über 50%.
Stand bisher die Metallgießerei von verschiedenen Legierungen im Vordergrund, entschloss man sich nun, Präzisionswiderstände, Messleitungen und eine immer größer werdende Palette von Bauelementen selbst herzustellen. Dazu wurden 1952 die ersten Drahtziehmaschinen installiert und die für die Widerstands-produktion sehr wichtige Kupfer-Nickel-Legierung Konstantan in das Produktionsprogramm aufgenommen.
Ein Isolierwerk (1960), ein Warmwalzwerk (1980) und ein Vakuumofen (2007) ergänzten den Modernisierungsprozess. Eine ganze Reihe von neuartigen Bauelementen mit extrem hoher Präzision lief vom Band und eroberte auch ausländische Märkte. Die Isabellenhütte wurde 1982 Mitglied des Deutschen Kalibrierdienstes (DKD).
1989 erzielte das Werk mit seinen 260 Mitarbeitern ein Umsatz von 45 Mio. DM.
Ab 1995 konnte sich die Isabellenhütte nach deutscher, europäischer und amerikanischer Norm zertifizieren. Dieser nach den deutschen DIN- bzw. europäischen EN- Normen Qualitätsnachweis eröffnete weitere Absatzbereiche und die Tür zu den großen Automobilherstellern und der Raumfahrtindustrie. Die Produktion von modernen Bauelementen sowie Thermo- und Widerstandslegierungen wurde ab der Jahrtausendwende intensiviert vorangetrieben und das Werk durch Bau neuer Produktions- und Lagerhallen erheblich vergrößert. 2009 errichtete die Isabellenhütte in Chemnitz ein neues Werk, und zwischen 2010 und 2013 errichtete das Unternehmen Tochtergesellschaften in den USA, Japan und China, um den ausländischen Markt zu aktivieren.
2013 konnte mit 683 Mitarbeitern ein Umsatz von 102 Mio. EUR erzielt werden, wovon 2/3 auf den Export entfielen.
Heute konzentriert sich die Isabellenhütte auf die drei Produktbereiche: 1. Messtechnik, 2. Präzisions- und Leistungswiderstände und 3. Widerstands- und Thermolegierungen.
Im Bereich Messtechnik werden die Produktfelder Automotive, Erneuerbare Energien, Bahntechnik, Energieversorgung und Antriebstechnik bedient, wobei die Entwicklung innovativer Batterieladungssysteme für Elektroautos einen hoffnungsvollen Zukunftsmarkt darstellt. Präzisionswiderstände finden vor allem im Automobilbau, in der Stromversorgung, in Batterieladesystemen und in Haushaltsgeräten Anwendung. Widerstands- und Thermolegierungen werden als Draht, Flachdraht oder Messleitungen abgesetzt.
Auf Grund der starken Innovationskraft des ältesten Hessischen Unternehmens erreichte die Isabellenhütte im Jahre 2008 einen zweiten Platz in der Kategorie „Jobmotor“ des bedeutenden Wettbewerbs „Hessen Champions“, der von der Hessischen Landesregierung jährlich ausgeschrieben wird. Weitere Preise und Auszeichnungen kamen für das vorbildmäßige Familienunternehmen hinzu.
Derzeitige Situation:
Von der ehemaligen Produktionsstätte der Kupferhütte existieren fast keine Gebäudebestandteile mehr. Ein Wohnhaus vom Beginn des 20. Jahrhundert dient als Verwaltungsnebenstelle. Sehr gut erhalten ist die Unternehmervilla der Familie Heusler, die etwas abseits liegt. Erhalten ist ebenfalls der „Heusler‘sche Weiher“, ein Stauweiher des Meerbaches, der in regenarmen Zeiten die Energie sicherstellen sollte.
Das Werk wurde in den 2010er Jahren erheblich erweitert und hatte im Jahre 2013 insgesamt 650 Mitarbeiter, Tendenz: steigend. Der Umsatz betrug 996 Mio. EUR, der Gewinn 4,8 Mio. Euro.
Z. Zt. bestehen Pläne, einen zweiten Produktionsstandort in Dillenburg-Manderbach zu errichten und dort die beiden jetzt schon benutzten Standorte in Nieder- und Oberscheld zusammenzufassen.