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Scheldetalbahn

Beiderseits der Schelde, einem Nebenfluss der Dill am östlichen Rand des Gladenbacher Berglands, befinden sich große Eisenerzlagerstätten. Die Gruben Amalie, Neue Lust, Friedrichszug, Stillingseisenzug, Königszug, Beilstein, Ölsberg, Auguststollen und Falkenstein u.a.m. begründeten eine umfangreiche Gruben- und Hüttenindustrie. Auch um Biedenkopf befanden sich Gruben und das Hochofenwerk Wilhelmshütte. Die Ludwigshütte in Biedenkopf und das Hochofenwerk in Oberscheld, das 1905 in Betrieb ging, bildeten die wirtschaftlichen Zentren dieser Region. Daher bestand in der Industrialisierung des 19. Jahrhundert der Wunsch, diese Region durch eine Eisenbahnstrecke zu verbinden, nicht zuletzt,                      nachdem Buderus beabsichtigte, in Breidenbach bei Wallau eine Gießerei zu errichten.

Vorgeschichte

 

Im Rahmen der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts entstanden wichtige Eisenbahnstrecken, die vor allem den Anschluss der Industriezentren an die Großstädte und besonders den Binnen- und Seehäfen ermöglichten. Einen Entwurf für das deutsche Eisenbahnnetz entwickelte der Wissenschaftler und Eisenbahnpionier Friedrich List 1833 und für deren Realisation sorgte der Unternehmer Friedrich Harkort (auch „Vater des Ruhrgebietes“ benannt) maßgeblich. Ihnen gewidmete Büsten sind im Leipziger Hauptbahnhof aufgestellt.

So entstanden die für den Marburger Raum wichtigen Strecken, z.B. die Main-Weser Bahn von Kassel über Marburg nach Frankfurt und schloss damit die Main-Weser Hütte von Buderus in Lollar und die Lahnhütte in Gießen an. Eine weite Strecke verband Köln und das Ruhrgebiet über Gießen nach Frankfurt. An dieser Strecke lagen die großen Montangebiete des Ruhrgebietes und die Eisengruben und Eisenhütten der Lahn-Dill Region. Weitere Bahnlinien entstanden in der Nähe.

Baugeschichte:

 

Nachdem durch die ‚Cöln-Mindener Eisenbahn- Gesellschaft‘ um 1860 mit der Strecke von Köln nach Frankfurt eine überregionale Verbindung direkt an der Scheldemündung südlich von Dillenburg vorbei geschaffen hatte und die Main-Weser-Strecke von Biedenkopf über Marburg erreichbar war, bestand der Wunsch einer Nebenstrecke durch das Scheldetal zur Anbindung der dortigen Gruben und des Hochofenwerkes zu errichten. Die Cöln-Mindener Eisenbahn- Gesellschaft versprach sich hiervon Gewinne und baute als erste Nebenstrecke aus dem Dilltal im Februar 1872 das erste 7,8 km lange Teilstück von Dillenburg über Oberscheld bis zum Nicolausstollen mit einer 3,3 km langer Abzweigstrecke von Oberscheld zum Auguststollenn. Diese Strecken waren zunächst nur für den Güterverkehr freigegeben. Erst 1896 folgte dann auch der Personenverkehr. Noch im selben Jahr wurden zwei Bergwerke angeschlossen.

Die Endstation „Nicolausstollen“ war gewählt worden, weil in unmittelbarer Nachbarschaft die großen Gruben „Königszug“, „Stillingseisenzug“, „Beilstein“ und „Ölsberg“ Eisenerz förderten und und sich eine große Erzaufbereitungsanlage befand und damit ein hohes Güteraufkommen gewährleistet war.

Nach der Verstaatlichung der Cöln-Mindener Eisenbahn übernahm die Preußische Staatsbahn den Betrieb und die weitere Planung der Strecke. Die Stichstrecke zum geplanten Hochofenwerk band gleichzeitig die Gruben auf der Eisernen Hand: „Burger Stollen“, „Handstein“ und das Bergwerk „Sahlgrund“ und 1902 die „Grube Prinzkessel“ an.

Bis 1896 wurde auf der Strecke nur Güterverkehr betrieben. Erst im Frühjahr dieses Jahres wurde auch der Personenverkehr aufgenommen.

Die Grubenbesitzer nördlich des Nicolausstollens, die IHK Dillenburg und die Steinbruchbetreiber aus Achenbach, Oberdieten und Kleingladenbach forderten den Weiterbau der Strecke. Diese Forderung wurde von der Tatsache unterstützt, dass inzwischen alle Hochöfen im Hinterland ihren Verhüttungsbetrieb eingestellt hatten und zu Gießereien geworden waren. Die Gruben im Schelderwald waren aber noch in Betrieb, so dass ein Hochofenwerk zwecks Bezug von Roheisen fehlte. Dieses betraf in erster Linie des Hessisch-Nassauischen Hüttenverein, dem größten Besitzer von Gruben und Gießereien in dieser Region. Dieser ließ zwar 1905 in Oberscheld ein schon mit Steinkohle betriebenes Hochofenwerk errichten, aber zu den Gießereien in Dautphe, Laasphe und Breidenbach mussten die Waggons über den langen Umweg von Dillenburg über Wetzlar, Gießen, Marburg nach Biedenkopf geschickt werden. So wurde der Druck der Unternehmen zur Weiterführung der Strecke durch das Hinterland immer größer, bis die Genehmigung zum Weiterbau eintraf.

Mitte Juli 1909 begannen die Arbeiten an der Fortsetzung der Strecke über Herrenberg, Lixfeld, Frechenhausen, Gönnern, Niedereisenhausen, Breidenbach bis Biedenkopf, eingeteilt in fünf Baulose. Da die Bauarbeiten an jedem Baulos gleichzeitig begonnen wurden, war die Bahnlinie trotz erheblicher Erd- Viadukt- und sonstigen Arbeiten im Sommer 1910 weitgehendste fertiggestellt. Einschließlich der Anbindung wichtiger Hütten und anderer Industriebetriebe. Für die problematische Steilstrecke zwischen Herrenberg und dem Bahnhof Hirzenhain nutze man für die Fahrt bis 1923 eine Zahnstange. Danach konnten nur Lokomotiven für Steilstreckenzulassung eingesetzt werden, später spezielle Schienenbusse bzw. Diesellokomotiven.

 

Die feierliche Eröffnung der Gesamtstrecke fand 1911 durch die Preußische Staatseisenbahn statt, so dass die Strecke von Dillenburg bis Biedenkopf befahrbar war und Buderus mit dem Bau der Gießerei in Breidenbach beginnen konnte und die anderen Gießereien auf kurzem Weg ihr Roheisen beziehen konnten. Umgekehrt lief der Absatz ihrer Produkte, zumeist Öfen, nach Dillenburg zur Strecke Ruhrgebiet-Frankfurt.

Die Personenzüge endeten nicht in Wallau, sondern in Biedenkopf, um den direkten Anschluss an die obere Lahntalbahn bis zur Main-Weser-Strecke nach Marburg zu ermöglichen. Auf der anderen Seite endete der Personenverkehr nicht in Dillenburg. Er fuhr über die Dietzhölzbahn, die vier Jahre vorher eröffnet worden war, weiter zur Neuhütte in Ewersbach, auf dessen Gelände ein Lokschuppen errichtet worden war.

 

Mit dem Niedergang des Hochofen- und Grubenbetriebes und Umstrukturierung der DB in Einzel-AG´s ging die Strecke 2002 in das RegioNetz Kurhessenbahn über. Der Güterverkehr war fast völlig eingestellt worden und endete danach in Wiesenbach. Zwischen Wiesenbach und Dillenburg wurden die Gleise mit allen Anschlussstellen abgebaut, lediglich auf der Adolfshütte und der Neuhütte befinden sich Reste der ehemaligen Werksanschlüsse. Zum Holztransport wurde das Teilstück zwischen Wiesenbach und Wallau seit 2007 teilweise wieder aktiviert.

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